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0763 - Strigen-Grauen

0763 - Strigen-Grauen

Titel: 0763 - Strigen-Grauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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eine Lücke zwischen den Handballen. »Sie… sie haben mich verfolgt, sie haben mich bedroht, ich konnte ihrer nicht Herr werden, obwohl ich es immer wieder versuchte.« Sie quälte sich, und als sie verstummte, forderte ich sie auf, mir mehr zu erzählen.
    »Und bitte, Helen, denken Sie vor allen Dingen auch an Einzelheiten - ja?«
    »Ich versuche es.«
    Jedenfalls war ich davon überzeugt, daß ich mit Helen Kern einen Glücksgriff getan hatte. Schon beim ersten Versuch Erfolg zu haben, das war mir nicht immer beschieden, und ich war auch fest davon überzeugt, daß irgendwo eine Verbindung zwischen ihr und Sanders existierte. Der Mann hatte ihren Namen nicht grundlos genannt.
    Sie ließ die Hände wieder sinken und gab ihr Gesicht frei. Es hatte einen angestrengten Ausdruck bekommen. Sie zwinkerte mit den Augen, die leicht gerötet waren, und schaute an mir vorbei auf das große Fenster, hinter dem der breite Balkon lag. Aus langen Kästen schauten bunte Sommerblumen hervor, deren Blüten sich im leichten Wind bewegten. »Es waren schlimme Träume, und sie drehten sich stets nur um ein Thema, Mr. Sinclair. Um Vögel.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, ich sah die Vögel.«
    »Welche denn? Spatzen, Amseln, Wellensittiche, Rotkehlchen oder Papageien…«
    »Nein, nein, das auf keinen Fall. Es waren Vögel, die ich nicht kannte.«
    »Fremde?«
    Sie nickte. »Sehr groß waren sie«, flüsterte sie, »und sehr düster.« Helen schauderte zusammen. Die Erinnerung an diese Träume und die darin vorkommenden Vögel waren noch nicht gelöscht. »Sie umschwirrten mich mit ihren breiten Schwingen, sie kreisten mich ein, sie spielten mit mir, was für mich wie eine Folter war, und sie griffen auch an.«
    »Was geschah dabei?«
    »Nichts weiter. Ich erwachte.«
    »Beim Angriff?«
    »Ja, bevor es ganz schlimm werden konnte. Ich erlebte den Traum nie bis zu seinem bitteren Ende. Mir kam es vor, als hätte jemand ein Warnsignal in mir eingebaut, das sich immer dann einschaltet und reagiert, wenn ich in große Gefahr gerate.«
    »Was taten die Vögel denn, Helen?«
    Ihre Lippen waren bleich geworden. Beim Sprechen bewegten sie sich zitternd. Sie druckste herum, dann aber konnte ich ihre Worte verstehen. »Sie… sie sprachen mit mir.«
    »Bitte?«
    Helen Kern lachte leise und bitter. »Ob Sie es mir glauben oder nicht, sie konnten sprechen. Ich… ich habe ihre Stimmen gehört. Sie drangen in meine Alpträume ein. Es war furchtbar, es war nicht zu fassen, aber ich habe mich auch nicht getäuscht.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Die Wiederholung der Träume, Mr. Sinclair. In jeder verfluchten Nacht kehrten sie zurück und malträtierten mich. Es waren immer wieder die gleichen.«
    »Also das Sprechen der Vögel.«
    »Genau.«
    »Haben Sie denn verstehen können, was sie sagten?« Die Frage hatte mir auf dem Herzen gelegen, und ich wartete gespannt auf eine Antwort.
    »Wollen Sie das wirklich hören?«
    »Sonst hätte ich Sie nicht gefragt.«
    Helen bewegte unruhig ihre Hände. »Und Sie… Sie lachen mich auch nicht aus?«
    »Ich bitte Sie, Helen. Wie käme ich dazu, so etwas zu tun? Nein, ich werde Sie nicht auslachen.«
    Die junge Frau mußte sich noch einmal sammeln, bevor sie endlich sprechen konnte. »Sie… sie erklärten mir immer nur das eine. Du gehörst jetzt zu uns… du gehörst jetzt zu uns… zu uns…«
    Sie starrte mich an.
    Plötzlich fing sie an zu weinen.
    Zum Glück trug ich ein sauberes Taschentuch bei mir, das ich ihr reichte, aber sie hörte nicht auf zu weinen. Ihre Schultern bebten, die Wangen waren naß, und immer mehr Wasser quoll aus ihren dunklen Augen.
    Ich dachte über die Worte nach. Quatsch, Blödsinn, eine Ungeheuerlichkeit, schoß es mir durch den Kopf, und damit reagierte ich wie jeder normale Mensch.
    Das war ich auch. Doch auf der anderen Seite beschäftigte ich mich seit Jahren schon beruflich mit Fällen, wo eigentlich nichts unmöglich war und Grenzen zwischen den Naturwissenschaften aufgehoben wurden. Rationale Erklärungen fehlten mir des öfteren, auch hier sah es so aus. Ich kam mir vor wie ein kleiner Junge, der mit einem Stock in ein Wespennest gestochen hat, um zu sehen, was nun passierte.
    Zunächst einmal nichts. Helen ließ die Hand mit dem Taschentuch sinken und knüllte den Stoff zusammen. Auf ihrer Haut hatte sich ein dünner Schweißfilm gelegt, ihre Augenlider bewegten sich, die Nasenflügel zitterten ebenfalls. »Ja, Mr. Sinclair«, flüsterte sie mit erstickter Stimme. »So ist

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