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0766 - Das Grauen von Grainau

0766 - Das Grauen von Grainau

Titel: 0766 - Das Grauen von Grainau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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gehe ich aus.«
    »An unserem Tisch ist noch ein Platz frei.«
    Ich konnte nicht ablehnen. Viel lieber hätte ich natürlich nahe der Familie Davies gesessen. Statt dessen nickte ich erfreut und bedankte mich artig.
    Sally legte ihre Hände zusammen. Die vier Ringe funkelten im Licht der Barbeleuchtung. Die Ellenbogen hatte sie auf den Handlauf gestützt. »Wir haben uns über Sie unterhalten, John.«
    Ich mußte lachen. »Tatsächlich? Bin ich denn so interessant, daß man sich über mich unterhält.«
    »Ein alleinreisender Mann doch immer.«
    »Das kann ich nicht beurteilen.«
    »Doch, doch, schon, und wir haben uns gefragt, welche Vergangenheit Sie wohl haben.«
    »Keine.«
    »Was?« Sally lachte. »Das kann nicht stimmen. Jeder Mensch hat eine Vergangenheit.«
    Ich winkte ab. »Das schon, nur ist meine alles andere als interessant. Ich lebe in London, arbeite auch dort und mache einmal im Jahr etwas Urlaub. Dabei suche ich mir immer andere Ziele aus, denn immer nur an einen Ort kann ich später noch fahren, wenn ich mal das Rentenalter erreicht habe.«
    »Das ist gut.«
    Der Bartender stellte vor mir das Bier ab. Ich schaute es an, bekam glänzende Augen und merkte erst jetzt, welch einen Durst ich mittlerweile bekommen hatte. Das Bier war herrlich gezapft. Der Schaum lachte mich an, das Glas schimmerte feucht, und die Flüssigkeit lief außen in Streifen herab.
    Ich nahm es an mich und trank. Die beiden Frauen beobachteten mich dabei amüsiert, und als ich das Glas wieder abstellte, die Lippen vom Schaum befreite, dann tief durchatmete, da hörte ich ihr gemeinsames Lachen.
    »Man sieht, wie es Ihnen geschmeckt hat, John.«
    Ich nickte Audrey zu. »Das können Sie wohl laut sagen. Es war einfach unbeschreiblich. Ich hatte auch einen Durst, kein Wunder bei diesem Wetter.«
    »Das heute abend schon umschlagen kann«, behauptete sie.
    »Sind Sie eine Prophetin?«
    »Das nicht. Ich habe nur den Wetterbericht gehört.«
    »Der sich auch mal irren kann.«
    »Schon, aber nicht die Menschen hier. Die wissen Bescheid. Übrigens, John, Sie sprechen gut deutsch. Das fiel mir vorhin schon auf. Sind Sie öfter in diesem Land?!«
    »Es geht.«
    »Beruflich?«
    »Hin und wieder.«
    »Was machen Sie denn?« fragte Sally. »Womit verdienen Sie Ihr Geld? Sagen Sie es uns. Sehen Sie denn nicht, daß wir vor Neugierde beinahe platzen.« Sie strahlte mich an. »Wir sind schließlich unterwegs, um Eindrücke zu sammeln. Darüber schreiben wir dann einen Bericht oder ein kleines Buch. Sogar einen Verleger haben wir schon.«
    »Gratuliere.«
    »Ach, das ist nichts. Was machen Sie?«
    »Ich bin Anwalt. Hin und wieder werde ich auf das Festland geschickt, um zu recherchieren. Sie wissen ja, daß Europa zusammengewachsen ist, da sind die Grenzen nicht mehr so, wie sie es einmal waren.«
    Sally nickte. »Ein interessanter Job.«
    »Es geht. Viel Gesetzesgestrüpp. Ich stehe auch nicht vor Gericht, es geht bei mir mehr um Vertragsverhandlungen.«
    »Da hätten wir Sie brauchen können, John«, sagte Audrey, »als es darum ging, Honorare und Spesen für unser Buch auszuhandeln.«
    Ich mußte lachen. »Sorry, aber ich glaube nicht, daß ich der richtige Mann dafür bin.«
    Unser Gespräch plätscherte dahin. Allmählich nahmen auch andere Gäste an der Bar Platz. Sie sprachen zumeist über den Wetterwechsel und hofften alle, das Essen noch auf der Terrasse einnehmen zu können, denn warm genug war es ja.
    Auch wir wurden hin und wieder in die Gespräche der anderen Gäste mit hineingezogen, die Zeit verging, keiner merkte es so richtig, bis Audrey Houston auf ihre Uhr mit dem schmalen Armband schaute. »Himmel, schon halb sieben. Es wird Zeit.«
    Wir rutschten von den Hockern. Die beiden Frauen bestanden darauf, mein Bier zu bezahlen, und ich ließ es geschehen, mit der Prämisse, mich revanchieren zu dürfen.
    »Dürfen Sie, John«, sagte Sally, »ganz bestimmt.«
    »Das will ich doch hoffen.«
    Ich wurde von den Frauen in die Mitte genommen, die sich rechts und links bei mir einhakten. Gemeinsam schlenderten wir der bereits offenstehenden Terrassentür entgegen und warfen einen ersten Blick nach draußen. Es brauchte kein Sonnenschirm mehr aufgespannt zu werden, denn der gelbe Ball war vom Himmel verschwunden. Die Wärme aber war geblieben, trotz der ziemlich dichten Bewölkung, die jetzt auch die Grate und Spitzen der Berge einrahmte. Allerdings war sie dünn, so daß wir die Gipfel noch sehen konnten. Auf dem See war der Betrieb

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