Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0766 - Das Grauen von Grainau

0766 - Das Grauen von Grainau

Titel: 0766 - Das Grauen von Grainau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
bildete sich eine steile Falte.
    »Aber die sind komisch. Sie halten sich von allem fern und sprechen kaum mit einem anderen Gast. Die wollen für sich bleiben.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Audrey stellte ihre Tasche auf den Tisch, öffnete sie und holte ein Parfümfläschchen hervor. Sie bestäubte damit ihren Hals, indem sie zweimal auf den kleinen Ball drückte. Dann verschwand der Flakon wieder in der Tasche. »Wir haben versucht, sie anzusprechen, aber alle drei gaben sich einsilbig. Mir scheint, daß Sie mehr Glück hatten.«
    »Kaum.«
    Der Ober brachte die Getränke und unterbrach unser Gespräch. Wenig später servierte er auch das Essen. Es sah appetitlich aus.
    Ich nahm mein Besteck in die Hand, aß aber noch nicht und drehte mich halb um.
    Das gleiche tat der Junge.
    So blieb es nicht aus, daß wir uns plötzlich anstarrten, und ich wich nicht aus.
    Ich sah den Haß in seinen Augen aufleuchten, der auf mich wie ein tödliches Versprechen wirkte.
    Zugleich verzog er den Mund. Es schien so als wollte er mir eine Drohung zuflüstern, sie aber blieb im Ansatz stecken.
    Wir waren Feinde - Todfeinde sogar.
    Seiner Mutter fiel etwas auf. Sie zischte ihm zwei, drei Worte zu. Der Junge nickte und drehte sich wieder weg. Auf meinem Arm war tatsächlich eine Gänsehaut zurückgeblieben, und auch den beiden Frauen war meine Reaktion nicht entgegangen.
    »Was ist mit Ihnen, John?«
    »Soll etwas sein?«
    Audrey wiegte den Kopf. »Ich will nicht lästern oder Ihnen etwas einreden, aber sie sahen plötzlich so anders aus, als hätten Sie etwas Bestimmtes entdeckt.«
    »Da haben Sie sich bestimmt getäuscht.«
    »Und ich wünsche allgemein, daß es uns schmeckt«, sagte Sally, hob ihr Glas und fügte noch einen Trinkspruch hinzu, der sich darauf bezog, wie schön das Leben doch sein konnte.
    Das nahm ich ihr ab, aber ich kannte auch die Schattenseiten des Lebens. Sie rückten mittlerweile näher an mich heran und würden mich bald erreicht haben.
    Noch war die Nacht nicht beendet, sie hatte noch nicht einmal angefangen. Ich hatte die Unterhaltung zwischen Mutter und Sohn auf dem Balkon nicht vergessen.
    Auf der Terrasse verteilt standen die Lampen. Sie leuchteten plötzlich auf und warfen ihren milden Schein in die anbrechende Dämmerung herein. Es war zu spüren, wie sehr den Menschen die Veränderung der Atmosphäre gefiel. Der See, die Terrasse, das Licht, es mußte vielen vorkommen wie ein Traum, in den sie plötzlich eingebettet worden waren. Auch meine beiden Begleiterinnen waren begeistert und erklärten, daß sie sich darauf schon gefreut hätten.
    Ich widersprach nicht, dachte nur daran, daß aus dem Traum für mich persönlich leicht ein Alptraum werden konnte, denn die Nähe des Jungen bereitete mir ein beinahe körperliches Unwohlsein.
    Zudem mußte ich noch mit den Killern der Mafia rechnen, doch auf der Terrasse hielten sie sich nicht auf, denn die Mörder reisten wohl kaum mit der Familie. Außerdem würden sie die Taten nicht unter den Blicken zahlreicher Zeugen begehen, schließlich waren wir hier nicht im hintersten Sizilien.
    Das Licht zog auch die Mücken und Nachtfalter an. Sie führten ihre Tänze auf, und über die Terrasse legte sich eine ungewöhnliche Ruhe.
    Nur unterbrochen von leisen Gesprächen oder dem Klingen der Gläser, wenn Gäste miteinander anstießen. Ab und zu klapperte auch ein Besteck. Manchmal erklang ein Lachen.
    Mir kroch des öfteren eine Gänsehaut über den Rücken. Ich konnte es nicht sehen, aber ich fühlte, daß sich der Junge hin und wieder bewegte und mich anschaute, so daß mich die Blicke wie spitze Dolche trafen. Ich aß, doch ich hatte plötzlich keinen Appetit mehr.
    Meine Begleiterinnen waren mit ihrem Essen ebenfalls zufrieden. Hin und wieder hoben sie die Köpfe und schauten mich prüfend an, was mich zu der Frage veranlaßte, was denn los sei.
    »Ja«, sagte Sally. »Sie sind so schweigsam.«
    »Das kommt schon mal vor.«
    »Haben Sie einen Grund?« fragte Audrey.
    »Nein.«
    »Oder fühlen Sie sich zwischen uns nicht wohl?« Sally mußte noch einmal nachhaken.
    »Ich fühle mich blendend.«
    Audrey schaute mich nachdenklich an. »Man merkt direkt, daß Sie die Unwahrheit gesagt haben.«
    Sie drohte mir mit ihrem Fischmesser. »Aber wir werden es noch herausfinden, darauf können Sie sich verlassen, John. So einfach machen wir es Ihnen nicht.«
    »Ich zittere jetzt schon«, erwiderte ich lächelnd, bevor ich mich wieder mit der letzten Scheibe Fleisch

Weitere Kostenlose Bücher