0766 - Das Grauen von Grainau
anderes vor. Er war nun ein besonderer Junge und mit einer bestimmten Gabe ausgerüstet. Schon in den Staaten war bekannt gewesen, daß er die Toten liebte. Seine Leichen, zu denen er sich hingezogen fühlte, die er liebte wie andere in seinem Alter ihren Sport oder ein Videospiel. Das alles ging mir durch den Kopf, und ich hatte auch nicht vergessen, daß die folgende Nacht die entscheidende werden sollte. Wobei ich mich fragte, was er damit meinte.
Es ging sicherlich nicht um die Mafiosi, denn in dieser Nacht würde er sich mit seinen Problemen beschäftigen. Mit den Toten, davon mußte ich einfach ausgehen.
Wo liegen Tote?
Auf dem Friedhof, wobei ich mir die Frage stellte, wo es den nächsten Friedhof gab.
In Grainau, hier nicht. Wenn das stimmte, würde Mario am Abend das Hotel verlassen und in Richtung Grainau gehen oder fahren. Deshalb mußte ich ein Auge auf ihn haben. Wenn das tatsächlich eintrat, sollte er sich nicht allein auf den Weg machen.
Das war das eine Problem.
Hinzu kam das zweite. Ich durfte auf keinen Fall vergessen, daß die Mafia versuchen würde, die Familie zu stellen, um mit ihr abzurechnen. Für die Mafia kam da nur der Tod in Frage. Da wurden die Ehefrau des Verräters und dessen Kind ebenfalls mit hineingezogen. Die Zukunft sah nicht nur düster, sondern dunkel aus. Ich bedauerte es, allein zu sein und meinen Freund Suko nicht bei mir zu wissen. Wir hätten uns die Arbeit wunderbar teilen können.
Wenn ich in meinen Räumen blieb, brachte das nichts. Außerdem war mittlerweile ziemlich viel Zeit vergangen. In der Halle hatte ich eine bessere Kontrolle. Ich ging zudem davon aus, daß die Familie Davies hier im Hotel ihr Dinner einnehmen würde. Sie würden versuchen, sich völlig normal zu bewegen und nur nicht auffallen. Das war eben meine Chance, dranzubleiben und sie nicht aus den Augen zu lassen.
Um siebzehn Uhr öffnete sicherlich die Bar.
Die Zeit war schon vorbei.
Ich streifte mein schwarzes Leinenjackett über, zu dem ich hellblaue Sommerjeans trug, kontrollierte noch einmal meine Waffen und verließ die Suite.
Für die folgenden Stunden war ich gerüstet. Fragte sich nur, was sie bringen würden…
***
In der Bar hatte man die weichen Lichter eingeschaltet. Als ich die Stufen hochging, da entdeckte ich die beiden Amerikanerinnen, die an der halbrunden, sehr großen Theke saßen und mir wie auf Kommando zuwinkten, wobei Sally mich bat, doch bei ihnen Platz zu nehmen.
Das gefiel mir in diesem Augenblick nicht. Nicht daß ich etwas gegen die beiden gehabt hätte, wer hat schon etwas gegen zwei hübsche Frauen? Ich hatte nur die Befürchtung, daß sie mich zu sehr von meiner eigentlichen Aufgabe ablenkten, und dieses Risiko wollte ich eigentlich nicht eingehen.
Vor den Kopf stoßen wollte ich sie auch nicht. So machte ich gute Miene zum bösen Spiel, ging zu ihnen und nahm neben Sally Platz. Beide Frauen hatten sich umgezogen. Sally trug ein zitronengelbes Kleid mit einem tiefen Rückenausschnitt, so daß sie auf einen BH hatte verzichten müssen. Das Kleid war ziemlich kurz. Der geschwungene Rock endete knapp über den Knien. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen und ließ viel von der sanft gebräunten Haut sehen. Um ihren Hals hatte sie drei grüne Perlenketten gehängt, Modeschmuck. Vorn war das Kleid wie ein einteiliger Badeanzug gearbeitet, der ihre Brüste leicht anhob. Die Frisur war frisch gefönt und bildete einen Wuschelkopf.
»Gut amüsiert?« fragte ich.
»Es geht!« Audrey Houston gab die Antwort. Sie war sportlicher gekleidet in ihrer dunklen Hose, der locker fallenden schwarzen Seidenbluse und dem weißen Jackett. Das blonde Haar trug sie lang und mit zwei Spangen an den Seiten zurückgesteckt.
»Es hörte sich, aber nicht begeisternd an.«
»Vielleicht sind wir schon zu lange hier.«
»Das kann sein.«
Der Keeper, ein junger Mann mit weißem Hemd und roter Fliege, grüßte und fragte mich nach meinen Wünschen. Die beiden Ladies tranken irgendein gemixtes Zeug, was ich nicht wollte. Ich erkundigte mich, ob es auch Bier vom Faß gab, was mir der Keeper mit einem Nicken bestätigte. »Ein großes oder ein kleines Bier?«
Ich entschied mich für das große.
»Das hätten wir auch trinken sollen«, sagte Audrey.
»Können wir ja nach dem Essen.«
»Gute Idee.«
Audrey wandte sich an mich. Sie mußte dabei den Kopf drehen und an ihrer Freundin vorbeischauen. »Sie werden doch sicherlich auch draußen auf der Terrasse essen - oder?«
»Davon
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