0766 - Das Grauen von Grainau
wichtig, wenn nicht noch wichtiger für die Mafia, die nämlich keinen Verrat zulassen kann.«
»O!« sagte ich nur und strich dann über mein Haar. Mir ging zwar noch kein ganzes Licht auf, aber im Hinterkopf glühte es bereits, und ich malte mir bereits Szenen aus, die ich schnell wieder vergaß, weil sie einfach nicht stimmen konnten. »Dann hat sich die Familie Davies mit der Mafia angelegt.«
»Na ja, mehr Sidney Davies.«
»Was tat er Böses?«
Sir James hob die Schultern. »Eigentlich nichts. Er tat etwas Gutes, wenn man mehr um das Allgemeinwohl bedacht ist. Er stellte sich einem Gericht als Kronzeuge zur Verfügung. Davies hat nicht gemordet, er war Buchhalter, aber er wußte über Interna Bescheid, und die hat er ausgepackt. Sie können sich vorstellen, John, wer da rotierte. Die Mafia war aufgeschreckt, wollte sich das nicht bieten lassen. Wenn Davies' Beispiel Schule machte, würden andere ebenfalls anfangen zu reden, und der Nymbus der Ehrenwerten Gesellschaft würde einer gewissen Lächerlichkeit preisgegeben sein.«
Ich nickte langsam und wollte Sir James zur Ruhe kommen lassen, der noch nervöser wirkte. »Der Kronzeuge hat keine guten Karten. Er wird auf der Todesliste der Mafia ganz oben stehen.«
»Nicht nur er, John. Auch die Familie Davies. Was die Mafia anpackt, das macht sie gründlich. Sie wird alle Mitglieder der Familie ausrotten. Vor diesen Attentaten versuchte sich die Familie durch Flucht zu schützen. Sie zogen nach Europa - in ein Versteck.«
»Das der Mafia unbekannt ist?«
Sir James hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, möchte es jedoch nicht beschwören.«
»Das kann ich mir vorstellen, Sir. Wir kennen die Verbrecher. Ihr Arm wird auch hier in Europa immer länger, und undichte Stellen gibt es überall. Ziehe ich ein Fazit, dann möchte ich sagen, daß die Familie auch dort in Gefahr schwebt.«
»Sehr richtig.«
»Und wo befindet sie sich?«
Sir James runzelte die Stirn. »Das werde ich Ihnen erst sagen können, wenn Sie sich einverstanden erklärt haben, den Fall zu übernehmen.«
Ich mußte lachen. »Sorry, Sir, aber bisher weiß ich noch nicht, was ich tun soll.«
»Dazu komme ich noch.«
Ich hob die Schultern. »Müßte ich den Job allein übernehmen, oder wäre Suko dabei?«
»Um nicht aufzufallen, sollten Sie allein fahren. Auch wenn Sie dabei Gefahr laufen, in ein gewisses Kreuzfeuer zu geraten, das will ich nicht verhehlen.«
»Dann stünde die Mafia auf der einen Seite.«
»Sicher.«
»Und auf der anderen?«
Sir James lächelte. »Würden Sie diesen Auftrag denn annehmen, John?«
Ich lächelte zurück. »Die Amerikaner haben sich also an uns gewandt, damit wir Schutz gewähren?«
»Das stimmt.«
Ich hob die Schultern. »Okay, bisher habe ich noch keinen Auftrag abgelehnt. Ich will nicht von einer Berufsehre sprechen, aber gekniffen habe ich nie. Sie können auf mich rechnen, Sir.«
»Danke.« Der Superintendent lehnte sich erleichtert zurück. Auf seinem Gesicht ging die Sonne auf, er strahlte regelrecht. Da war ihm schon ein großer Stein vom Herzen gefallen.
»So, dann hätte ich gern erfahren, wo die Familie hingebracht worden ist.«
»Nach Germany.«
»Das ist groß.«
»In den Süden. Nach Grainau.«
Ich schaute ihn an, schüttelte den Kopf, grinste etwas komisch und hob auch die Schultern. »Halten Sie mich nicht für ungebildet, Sir, aber wo, zum Teufel, liegt Grainau?«
Sir James lächelte. »Genau das habe ich mich auch gefragt. Kennen Sie Garmisch?«
»Klar.«
»Auch die Zugspitze?«
»Es ist Deutschlands höchster Berg.«
»Sehr gut. Und genau zwischen Garmisch und der Zugspitze liegt der kleine Alpenort Grainau. Ein wunderschönes Städtchen, ich habe Bilder gesehen. Eigentlich ideal für einen Urlaub.«
»Doch nicht bei mir.«
»So ist es, John. Sie würden auch nicht in Grainau wohnen, sondern direkt an einem See, der etwa fünf Kilometer von Grainau entfernt ist. Es ist der Eibsee, praktisch der Zugspitzsee. Er ist nicht groß, aber sehr kalt und auch tief. An diesem See liegt ein Hotel, das einzige übrigens.«
»Sicherlich haben Sie dort schon ein Zimmer für mich reserviert.«
»Das kann ich nicht leugnen. Denn in dem Hotel ist auch die Familie Davies untergebracht worden. Zunächst für zwei Monate, dann will man weitersehen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Wie sind die Amerikaner denn auf diese Idee gekommen?«
»Das lag bei näherem Nachdenken eigentlich auf der Hand. Nach dem Krieg haben die Amerikaner das
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