Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

077 - Zu Gast bei Mr. Vampir

Titel: 077 - Zu Gast bei Mr. Vampir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Randa
Vom Netzwerk:
vermutlich identifizieren kann…
    Wenn es Leggatt ist, dann ist er verloren, denn die Leute des Kommissars überwachen jeden seiner Schritte. Vielleicht haben sie ihn auch bereits festgenommen.“
    „Vielleicht.“ Ihre Stimme klingt matt, und sie starrt ziellos vor sich hin. Ihr ist plötzlich alles völlig gleichgültig. Sie steht vor einem neuen Alptraum.
    „Ich finde das Ganze sehr beruhigend“, sagt Morestier.
    „Beruhigend?“ Jeannine reißt die Augen auf.
    „Das beweist doch, daß der Entführer keine bösen Absichten hat.“ Morestier lächelt. „Ich glaube nicht, daß der Mann Ihnen Rosen schickt, wenn er es auf Ihr Leben abgesehen hat.“
    „Mein Leben.“
    „Ja, Ihr Leben. Offensichtlich fühlt er sich durch den Pakt mit Ihnen verbunden. Amüsant, finden Sie nicht?“
    „Nein.“ Sie schüttelt den Kopf. Grenzenlose Entmutigung überkommt sie.
    Aber fast augenblicklich weicht dieses Gefühl einer Art Verachtung, und Morestier wird schlagartig zum Feind. Sicher muß sie freundlich zu ihm sein und sich natürlich benehmen, aber sie verachtet und haßt ihn.
    Als er liebevoll den Arm um sie legt, muß sie sich eisern beherrschen, um nicht zurückzuzucken.
    „Hören Sie mir zu, Jeannine“, sagt er. „Wir haben es mit einem Irren zu tun, vielleicht mit einem wahnsinnigen Verbrecher. Fauchard hat es Ihnen bereits erklärt. In diesem Augenblick versucht er, Sie zu beeindrucken, das heißt, daß er den Gedanken an Sie noch nicht aufgegeben hat. Es scheint, als seien Sie ein fester Bestandteil seines kranken Gehirns.“
    „Das weiß ich.“ Sie weiß besonders eines: daß er weder verrückt noch ein wahnsinniger Verbrecher ist.
    „Es ist schwer zu erklären“, sagt sie. „Aber ich habe so viele Zweifel. Wie ist es ihm gelungen, die Rosen und meine Tasche hierherzubringen?“
    „Durch die Tür, ganz einfach.“ Er deutet auf ihre Handtasche. „Er hatte doch Ihre Schlüssel.“
    „So einfach ist das nicht.“
    Sie schweigt. Ihr Gesicht ist hart geworden, ihr Blick starr. Sie steht bewegungslos und ein wenig vorgebeugt neben dem kleinen Tischchen.
    Morestier hätte gern eine Reaktion gesehen, aber er weiß, daß ihre Gedanken anderswo sind. Um sie auf andere Gedanken zu bringen, entleert Morestier den Inhalt ihrer Tasche auf die Couch und sagt: „Sehen Sie nach, ob etwas fehlt.“
    Wortlos beugt sie sich über die Gegenstände und legt sie gedankenverloren nebeneinander auf die blaue Decke. Puderdose, Lippenstift, eine rote Geldbörse, ein Taschentuch, ein Block Fahrkarten für die Metro, ein Kamm, zwei Briefe, ein Schlüsselbund, einige Fotos ihrer kleinen Tochter in einem Etui.
    „Das ist Ginette“, sagt sie und hält Morestier die Bilder hin.
    Der mütterliche Stolz überwältigt einen Augenblick lang alle anderen Gefühle. Der Arzt betrachtet die Fotos des kleinen, pummeligen Mädchens, das sich lachend an einem Tischbein festhält.
    „Süß ist sie“, sagt er. „Ich möchte sie gern einmal kennenlernen.“ Er sieht Jeannine an. „Morgen werde ich Sie nach Saint Prix begleiten.“
    Jeannine nickt. Wird sie jemals wieder nach Saint Prix fahren? Es scheint ihr wie ein Zipfel Vergangenheit, viel zu weit entfernt, als daß man es wieder in die reale Gegenwart einordnen könnte.
    „Hatten Sie Geld bei sich?“ fragt er.
    Sie greift nach ihrer Geldbörse.
    „Ist es noch da?“
    „Ja und nein“, sagt sie abwesend.
    „Wie bitte?“ Morestier glaubt sich verhört zu haben.
    „Ich hatte neunzig Francs!“
    „Und?“
    Sie zieht die Geldscheine aus ihrer Börse. Es sind neun, aber nicht zu je zehn, sondern zu je hundert Francs. Jeannine legt sie auf den Tisch.
    „Reichtum … er hat mir den Reichtum versprochen…“
    Morestier hebt die Schultern. „Reichtum? Das würde ich noch nicht Reichtum nennen! Und die Methode ist auch diesmal zu simpel, Mademoiselle Jeannine, als daß Sie sich davon beeindrucken lassen sollten. Er hatte Ihre Tasche, er hat sie geöffnet, Ihre neunzig Francs herausgenommen und durch neun Hunderter ersetzt. Dafür braucht man noch nicht Satan zu sein…“
    Aber sein Lächeln beruhigt Jeannine nicht; sie weiß genau, daß ihre Gedanken absurd und lächerlich sind, aber sie kann sie nicht verscheuchen. Vernunft und Logik sind machtlos dagegen.
    Jeannine setzt sich. Sie nimmt die Geldscheine, steckt sie zurück in ihre Börse und räumt alles wieder in ihre Tasche. Ein seltsames Lächeln liegt um ihre Lippen.
    Morestier läßt sich davon täuschen. „Sehen Sie nun ein,

Weitere Kostenlose Bücher