0775 - Lady Luzifer
hätte jemand nach ihr geschlagen. Sehr heftig holte sie Luft. Das Herz schlug schneller, in ihrem Magen lag plötzlich der dicke Klumpen wie eine Faust voll Teer.
Was war geschehen?
Nichts, überhaupt nichts. Sie hatte nur eine Ahnung überkommen. Jane dachte an die Zeit, als sie noch auf der anderen Seite gestanden hatte und dem Teufel zugetan gewesen war. Da hatte sie sich selbst als eine Hexe bezeichnet, aber diese schlimmen Monate lagen zurück, weit zurück, nur war etwas noch geblieben. In ihr steckte eine andere Kraft, ein Rest dessen, was sie einmal in ihren Klauen gehalten hatte.
Sie war nervös geworden, ängstlich. Die Ruhe wirkte auf sie bedrückend. War es die Stille des Todes? Hinter den Schläfen pochte es. Sie holte Luft, und sie spürte dabei, wie sich ihre Lungen mit Wärme füllten.
Das war nicht normal, etwas stimmte nicht, und die Furcht drängte sich immer weiter. Sie umschloß sogar ihre Kehle mit kalten Händen. Jane wußte, daß etwas passieren würde, und noch eines kam hinzu: die Hilflosigkeit, über die sie sich ärgerte. Ihre Waffe lag weit weg. Sie selbst war nackt, lag in der Wanne, war der Gefahr ausgeliefert.
Welcher Gefahr?
Deborah Taft! Sie erschien wieder vor ihrem geistigen Auge. Obwohl sie den Beweis nicht erhalten hatte, kam sie immer mehr zu der Überzeugung, daß an und bei dieser Frau einiges nicht stimmte.
Sie hatte sich auf eine raffinierte Art und Weise bei Jane eingeschlichen und hatte dabei noch das Glück gehabt, sie auf dem falschen Fuß zu erwischen.
Schrittgeräusche!
Die ersten überhaupt, die Jane außer den ihren seit ihrem Erwachen hörte.
Sofort setzte sie sich aufrecht hin. Die entspannende Liegehaltung gehörte der Vergangenheit an.
Sie stand wie unter Strom und hatte ihre Arme aus dem Wasser gehoben. Zusammen mit den Händen lagen sie auf den Rändern der Wanne.
Die Tür zum Bad war nicht ganz geschlossen, nur angelehnt. Sie konnte deshalb den Verlauf der Geräusche gut verfolgen. Die Tritte bewegten sich von der Tür weg, hörten auf, und Jane nahm an, daß die Person vor einer anderen Tür stehengeblieben war, um zu lauschen. Bei der Person konnte es sich nur um Deborah Taft handeln, denn eine andere Möglichkeit gab es für sie nicht.
Die Zunge huschte aus dem Mund und zeichnete die Lippen nach. Selbst auf ihnen lag ein dünner Schweißfilm. Die Gänsehaut kroch dabei über ihren Nacken und verstärkte sich, als sie abermals das Geräusch der Tritte vernahm.
Es hatte eine bestimmte Richtung eingenommen. Es näherte sich langsam aber stetig der Tür zum Bad.
Vor der Tür klang es aus.
Jane hielt den Atem an.
Dann wollte sie den Namen der Frau rufen, doch sie schaffte es nicht. Das Bedürfnis blieb unerfüllt.
Noch immer bewegten sich die Finger aus Eis über ihren Rücken und ließen keine Stelle aus. Das Kribbeln erreichte sogar ihre Haare, der Druck hinter den Augen nahm zu, und die Kehle trocknete noch stärker aus. Ein böses Zeichen.
Etwas glitt von außen her über die Tür. So laut, daß sie es genau hören konnte. Was da draußen geschah, war kein Spaß mehr, es glich einer seelischen Folter.
Die Tür hatte einen leichten Druck bekommen und bewegte sich nach innen. Gerade so weit, daß sich eine Hand über dem Schloß um die Türkante schließen konnte.
Eine Frauenhand!
Damit waren auch Janes letzte Zweifel beseitigt. Sie erhielt Besuch von Deborah Taft.
Der Ruck paßte nicht zum ersten langsamen Öffnen der Tür. Urplötzlich stand sie auf.
Im Rahmen zeichnete sich die Gestalt der Deborah Taft ab. Sie stand da wie eine Königin. Die Taft trug wieder das rote Kostüm, das auf Figur geschnitten war und tiefe Einblicke erlaubte. Das schwarze Haar umrahmte den Kopf als eine weiche Wellenflut, das Gesicht der Frau wirkte bleich, als hätte sie ebenfalls schlecht geschlafen. Es konnte aber auch Puder sein. Sehr dunkel hoben sich die Augenbrauen ab und auch die roten Lippen.
Jane atmete im ersten Moment auf. Irgendwo war sie trotz allem froh, daß Deborah zu ihr gekommen war und keine fremde Person. Die Taft trug ihre hochhackigen Schuhe, und Janes Blick glitt zwangsläufig an ihren Beinen entlang nach unten.
Da war nichts mehr von einer Schwellung zu sehen. Weder am Knöchel noch an der Wade.
Warum nicht? Konnte das denn so schnell heilen? Von einem Tag auf den anderen?
Jane war keine Ärztin, deshalb war ihr eine genaue Aussage unmöglich, aber seltsam war es schon, und abermals floß ihr der kalte Schauer über den
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