0777 - Phantom aus der Vergangenheit
zusammenzog. Das ließ sich allein auf ihre Angst zurückführen, die sie nicht einmal konkret in Worte fassen konnte. Sie war einfach da, sie hatte sich in ihrem Innern festgesetzt und würde so leicht nicht bewältigt werden können.
Was tun?
Die Verschwundenen suchen? Die Polizei alarmieren? Das hatten sicherlich schon die Verwandten der vermissten Personen getan, aber einen Erfolg hatten sie nicht erreichen können, denn keiner der Verschwundenen war gefunden worden.
Sie riss sich zusammen und dachte über den Fall nach. Es stand für sie fest, dass sie es als Einzige aus dem Kreis geschafft hatte.
Sie allein!
Darüber musste Doris Clinton erst einmal hinwegkommen. Das war schon ein Hammer, und immer wenn sie über das Thema nachdachte, spürte sie auf ihrem Rücken das Kribbeln.
Nein, nicht die Polizei alarmieren, das auf keinen Fall. Das wäre nicht richtig gewesen. Aber sie wollte den Fall aufklären, daran gab es nichts zu rütteln. Und sie wollte es allein fertig bringen, ohne Wenn und Aber.
Wie beginnen?
Die Grippe war vergessen. Wenn jetzt heiße Ströme durch ihren Körper zuckten, hing es mit anderen Dingen zusammen, mit ihren Gedanken, die sich schon mit der Zukunft beschäftigten und auch mit dem, was sie und die Clique getrieben hatten.
In der Scheune war es passiert.
An einem Ort, der verflucht sein sollte.
Er hatte sie fasziniert, und sie hatten alle Warnungen in den Wind geschlagen. In der Scheune hatte es begonnen. War es in der Scheune auch beendet worden?
Darüber dachte sie nach, ohne jedoch eine Antwort finden zu können. Sie drehte sich gedanklich im Kreis, wobei sie einen Punkt einfach nicht übersehen konnte.
Das war die Person aus ihren Albträumen!
Als sie an ihn dachte, überkam sie ein leichter Schwindel. Sie hatten sich ihn alle herbeigesehnt, er war auch erschienen. Er war nicht nur ein Traumgebilde, sondern…
Sie stöhnte auf und vergrub das Gesicht in beide Hände. Es hatte geklappt, es war tatsächlich zu einer schaurigen Wahrheit geworden, über die sie jetzt nicht näher nachdenken wollte. Dieser Unheimliche musste erschienen sein und hatte bereits seine Spuren gelegt. Er war wie ein gewaltiger Schatten, ein Druck.
Sie hörte das Telefon. Es stand im Zimmer, doch das Läuten kam ihr wie aus weiter Ferne vor. Das harte Geräusch riss sie aus ihren Gedanken, und sehr langsam bewegte sie sich nach rechts, um den Arm auszustrecken. Sie legte ihre Hand auf den Hörer, hob ab und meldete sich nur mit einem geflüsterten Wort, wobei sie selbst nicht einmal verstand, was sie da gesagt hatte.
»Ahhh – du bist es…«
Eine Stimme wie die eines Geistes. So hallend, so fern, dennoch nah und sehr deutlich zu verstehen.
Das war ER.
»Ja, ja, ich bin es.«
»Dich wollte ich auch erreichen.«
Doris musste zweimal schlucken, um die Antwort geben zu können. »Schön, was möchten Sie denn?«
»Ich will dich.«
Sie schwieg. Ihre Hände fingen an, feucht zu werden. Wie Schmerz setzte sich der Schweiß auf den Handflächen ab. Er wollte sie, ja, das hatte sie deutlich genug gehört. Er wollte nur junge Menschen, so viel wusste sie auch, und sie merkte, dass sie allein vom Klang seiner Stimme dermaßen beeinflusst war, dass sie einfach dahinschmolz. Sie glitt weg, und sie hatte nur mehr Ohren für die Stimme, die keine Pause machte und weitersprach.
»Da ich dich will, werde ich dich auch bekommen! Du weißt, meine Liebe, wohin du zu gehen hast?«
»Ja, ich weiß es.«
»Dann werde ich dich dort erwarten.«
Doris schluckte den Kloß. »Wann… wann soll ich zu dir kommen, bitte sehr?«
»So schnell wie möglich.«
»Nicht in der Dunkelheit?«
»Nein, das brauchst du nicht. Du weißt ja, wie es abläuft. Du kennst den Weg. Ich erwarte dich«, fügte er noch mit lauernd klingender Stimme hinzu.
Sofort danach war die Verbindung unterbrochen, und Doris fühlte sich wie aus einer Sauna kommend. Ihr Körper dampfte. Sie atmete heftig, und hinter der Stirn spürte sie einen schon widerlichen Druck. Leichter Schwindel hielt sie umklammert und alles nur wegen dieses verdammten Anrufs, der sie so unvorbereitet erwischt hatte.
Sie schüttelte sich und traute sich kaum aufzustehen. Der Anrufer hatte ihr erklärt, was zu tun war. Doris wusste, dass sie es tun würde, auch wenn es ihr gegen den Strich ging, aber die Macht des anderen war einfach zu stark.
Ihre beste Freundin lebte nicht mehr. Sie konnte sich vorstellen, dass er auch daran die Schuld trug, denn er wollte alles
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