0777 - Phantom aus der Vergangenheit
von ihnen, das hatte er ihnen erklärt. Nur wusste niemand, wann er zuschlug.
Er hatte ihnen nur gesagt, dass er auf sie lauern würde und dass er sie brauchte. Über Einzelheiten hatte er dabei nie Auskunft gegeben, nun aber wusste sie genau, was da passiert war.
Margret Fontyn lebte nicht mehr. Sie hatte sich ihm hingeben müssen. Sie hatte den Preis bezahlen müssen. Dass sie alle bezahlen würden, das hatte sie längst gewusst, aber niemand hatte erfahren, welches der genaue Preis gewesen war.
Noch sah Doris eine Chance. Glasklar stand sie vor ihr. Einfach weglaufen und verschwinden. Sich irgendwo verstecken, in Ruhe abwarten, doch darüber konnte sie nur lachen. Egal, wohin sie floh und wo sie sich versteckte, mochte es das Ende der Welt sein, finden würde man sie überall. Er war so verflucht mächtig, er war das Grauen an sich, aber er war nicht der Teufel.
Sie zitterte, als sie ging. Ihre Wohnung kam ihr wie ein Fremdkörper vor, obwohl sie von ihr mit viel Liebe eingerichtet worden war.
Die Eltern hatten einiges dazu beigetragen, aber das alles war jetzt zweitrangig geworden. Sie hatte ihre Eltern auch vergessen, jetzt zählten andere Dinge.
Doris Clinton betrat ihr kleines Bad. Klein, aber kuschelig, nett eingerichtet, in leichten Grün- und Blautönen gehalten. Auch die Handtücher passten dazu.
Sie sehnte sich nach einer Dusche, kletterte hinein und ließ die heißen Strahlen auf den Körper prasseln. Es war wunderbar, sie hatte den Eindruck, all den Schmutz abzuspülen, der sich in den letzten Tagen der Krankheit bei ihr angesammelt hatte. Doris genoss es, es war wie eine Flut, die sie unterschiedlich temperierte. Irgendwann war sie fertig. Wie lange sie unter der Dusche gestanden hatte, wusste sie nicht, denn auf die Uhr hatte sie nicht geschaut.
Sie trocknete sich ab, fönte ihr Haar und betrachtete sich dabei im Spiegel. Ja, mit ihrem Aussehen konnte sie zufrieden sein. Das Haar schimmerte blauschwarz, es war kurz geschnitten und passte hervorragend zu ihrer immer leicht gebräunten Haut. Sie war nicht zu dick und auch nicht zu schlank, ihr Gewicht lag in der Mitte. Manch einer hatte sie schon als griffig bezeichnet, besonders, was den Speck um die Hüften herum anging.
Später überlegte sie, welche Kleidung sie anziehen sollte. Eine Cordhose, einen Pullover, eine Jacke, die bis knapp über die Hüften reichte und Swinger genannt wurde.
Sie war zufrieden.
Noch einmal kurz mit der Bürste durch die Haare, dann war alles okay. Sie steckte Geld und ihren Schlüssel ein und verließ die Wohnung. Als Doris die Tür hinter sich zuziehen wollte, da stockte sie und ließ die Hand noch auf dem Knauf liegen. Etwas schoss ihr durch den Kopf. Wenn sie drüber nachdachte, dann hatte sie das Gefühl, etwas Endgültiges hinter sich zu lassen. Ein Teil ihres Lebens lag jetzt hinter ihr. Sie schloss die Tür, um eine andere zu öffnen.
Sie trat ein in die andere Hälfte ihres Lebens.
Mit einem Ruck schloss sie die Tür. Der gleiche Ruck durchzuckte auch ihren Körper, als sie sich, in Bewegung setzte. Doris kam sich vor wie eine auf ein Uhrwerk reagierende Marionette, als sie sich in Bewegung setzte und über die unsichtbare Schwelle hinweg das neue Leben betrat. Das führte sie zunächst in das Treppenhaus, wo sie einige Stufen hinabgehen musste, um die Haustür zu erreichen.
Zweimal begegneten ihr Nachbarn. Beide grüßten freundlich und ahnten nicht, dass es für Doris Clinton das wohl letzte Mal gewesen war. Sie war bereit, alles zu tun. Sie würde jeden Weg gehen, auch den, der sie in den Tod führte…
***
Der Himmel hatte sich noch stärker bezogen. Es gab kaum freie Flächen mehr, die grauen, unterschiedlichen Schichten waren ineinander gelaufen, sodass sie eine einzige Soße bildeten. Die Wolkendecke drückte in die Tiefe, als wollte sie das alles zerpressen, was auf dem normalen Erdboden wuchs.
Wind war aufgekommen. In Böen trieb er über das flache Land und rüttelte an den Bäumen. Er quälte sie, er spielte mit ihrem Geäst und riss abermals Blätter los.
Für das alles hatte die einsam fahrende Frau in ihrem froschgrünen Mini keinen Blick. Sie liebte den Wagen, der erst drei Monate alt war. Sie hatte ihn von ihrem Vater bekommen, der seine Tochter über alles liebte und stolz und gleichzeitig auch traurig darüber war, dass Doris in London studierte.
An den Vater dachte sie nicht.
Ein anderer Mann war wichtig.
Allein ER!
Wer ER war, was ER war, das konnte sie nicht sagen. ER war
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