0779 - Der Nebelwolf
doch diejenigen, die schlafen sollten, würden es bestimmt nicht schaffen. Zu großwar der Druck, zu stark die Erwartung auf das kommende Übel.
Es gab keinen in der Gruppe, der an den Worten ihres Anführers zweifelte. Bloch hatte sich noch nie geirrt, er wurde respektiert. Widerspruch gab es nicht.
Die neue Funkzentrale unter dem Dach war von zwei Leuten besetzt worden. Man hatte sich auf die Abwehr eingestellt, und man hatte auch Waffen bereit gelegt.
Nur der Abbé war allein.
Er wollte es so. Er wollte in sich gehen, denn er war derjenige, dessen verbliebene Sinne nach der Blindheit übersensibilisiert worden waren, und dies verstärkte sich noch durch den Würfel des Heils, der für ihn so etwas wie ein Indikator war und dank seiner guten Kräfte die des anderen Würfels, den des Unheils, aufhob.
Bloch hockte auf seinem Platz am Tisch. Es war Herbst geworden.
Auch in seinem Zimmer strahlte der Ofen Wärme aus. Zu viel, wie er meinte, deshalb stand er auf und ging auf das Fenster zu, um kühlere Nachtluft reinzulassen.
Der Rahmen knarrte, als er das Fenster öffnete. Der Schwall drang in den Raum, fächerte an seinem Gesicht vorbei, und der alte Abbé lehnte sich aus dem Fenster wie ein Sehender. Er konnte nichts erkennen, er konnte nur fühlen und tasten.
Noch war die Gefahr nicht zu spüren. Sie lag noch weit zurück, aber der Würfel hatte nicht gelogen. Er würde ihm den richtigen Weg zeigen, hoffte er. Bisher hatte er ihn nur gewarnt, leider wusste Bloch nicht, wie er sich und seine Freunde auf die neue Gefahr einstellen wollte. Es war alles zu schwammig, zu wenig greifbar. Noch liefen die Dinge aneinander vorbei, er konnte sie nicht fassen. Es stand nur die Drohung aus der Ferne da, und sie hatte unmittelbar mit den Templern zu tun.
Er ließ das Fenster offen, als er sich drehte. Dabei streifte er mit dem Bein an einem Gegenstand entlang, der noch nicht lange in diesem Haus stand. Es war der Skelett-Sessel, den John Sinclair in New York ersteigert hatte. Ein makabres Möbel, das auch in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Templern stand. Der Sessel bestand praktisch aus einem sitzenden Skelett, bisher war aber noch nicht herausgefunden worden, welchen Namen das Skelett als lebender Mensch getragen hatte. Jedenfalls war der Sessel sehr wichtig, denn er stellte die Verbindung zu Avalon her. Durch seine Hilfe konnte jemand in das geheimnisvolle Land reisen. Es reizte den Abbé, es einmal zu versuchen. Bisher hatte er diesen Wunsch immer zurückgestellt, weil er seinem Freund John Sinclair nicht vorgreifen wollte. Irgendwann in der nächsten Zeit würde John es ausprobieren und das Geheimnis dieses Sessels lüften.
Bloch strich mit der flachen Hand über die Knochenlehne hinweg.
Das gelbe Gebein fühlte sich warm an, als wäre es von einer geheimnisvollen Kraft durchweht.
Der Abbé dachte daran, dass auch die Baphomet-Templer versucht hatten, diesen Sessel in ihre Fänge zu bekommen. Es war ihnen nicht gelungen, aber er wusste auch, dass sie nicht aufgeben würden.
War das die neue Gefahr, die er verspürt hatte? Wollten es die Grausamen und absolut Bösen wieder einmal versuchen? Diesmal allerdings raffinierter und nicht so direkt?
Der Abbé wusste nichts, konnte nur auf einen positiven Ausgang hoffen und natürlich darauf, dass sich dieneue Gefahr noch weit genug entfernt befand.
Wenn nicht, sah es böse für ihn aus.
Er ging zurück zu seinem Platz. Durch das jetzt gekippte Fenster drang die kühle Luft in den Raum. Wegen der vorherigen Wärme waren die Lippen des grauhaarigen Mannes mit der dunklen Brille rau geworden. Er verspürte Durst. In der Nähe stand eine Flasche Wasser. Zielsicher goss er ein Glas halb voll und trank.
Im Haus der Templer war es ruhig geworden. Von einem nächtlichen Frieden konnte trotzdem nicht die Rede sein. Gerade er spürte die Spannung, die in den Räumen lag und auch seine Freunde und Mitstreiter nicht verschont hatte.
War es die Nacht des Todes?
Abbé Bloch seufzte auf, als ihm dieser Gedanke kam. Er seufzte auch deshalb, weil er ihn nicht aus seinem Gedächtnis verbannen konnte. Er hatte den Eindruck, dass er mittlerweile zu einer Realität wurde. Nie zuvor war die Gefahr so drängend gewesen, zumindest die Erwartung des neuen, verfluchten Unheils.
Er wollte es nicht, er konnte auch nicht verhindern, dass seine Hände leicht zitterten, als er den Würfel des Heils umfasste. Seine Umrisse waren glatt, die Farbe des Würfels bestand aus einem tiefen
Weitere Kostenlose Bücher