0783 - Der Tunnel
weshalb er plötzlich an den verschwundenen Ed Halloran denken musste, denn dafür gab es keinen Beweis. Mit etwas verändert klingender Stimme hakte er nach. »Tatsächlich eine Blutspur, Mrs. Deeley?«
»Ja.«
»Wo denn?«
»Bei uns, auf einem der Seitenwege, die wie Kanäle zu den Garagen führen. Auch nicht weit von Ihrem Garten weg, Mr. Braddock.«
»Hm.« Er überlegte. »Sie können mich nicht zu dem Ort hinführen, wo Sie das Blut entdeckt haben?«
Jimmy bellte plötzlich, dann knurrte er wieder, zerrte an seiner Leine, und es sah so aus, als wollte er auf das Haus der Braddocks zulaufen, doch der Gegenzug hinderte ihn daran.
»Ich müsste eigentlich weiter. Jimmy hat sein Geschäft noch nicht gemacht. Wenn Sie aber schauen wollen, Mr. Braddock, kann ich es Ihnen gern erklären.«
»Nicht nötig. Auf dem Weg, der zu Ihrer und den anderen Garagen führt.«
»Ja, und direkt davor.«
»Danke, ich schaue mal nach.«
»Erklären kann ich es mir nicht«, flüsterte sie. »Ohne den Hund würde ich keinen Schritt weitergehen. Ich wollte sowieso später mit meinem Mann darüber sprechen, damit er sich dort mal umschaut. Dabei kann er ja Jimmy mitnehmen.«
»Ich werde nachschauen.«
»Sagen Sie mir dann Bescheid, wenn Sie etwas gefunden haben?«
Mrs. Deeley stand bereits auf einem Bein, weil Jimmy so an seiner Leine zerrte.
»Das werde ich, versprochen.« Braddock schaute den beiden nach, wie sie die Straße hinabgingen, die dort endete, wo die Felder begannen. Auf ihnen, noch ziemlich weit von der kleinen Siedlung entfernt, waren zwei Hochhäuser gebaut worden. Mächtige, flache Klötze, die wie Ungetüme aus einem fremden Film wirkten.
Es hatte geheißen, dass noch mehr dieser hohen Häuser gebaut werden sollten, dann war es natürlich mit der Ruhe vorbei, aber daran wollte Braddock nicht denken. Seine Sorgen waren andere, und er spürte trotz seines Spaziergangs keinerlei Beruhigung in seinem Innern. Im Gegenteil, er dachte an das Blut und hoffte sogar, dass sich die Frau geirrt hatte. Mrs. Deeley gehörte zu den Personen, die in die Siedlung hineinpassten. Sie war so etwas wie ein wandelndes Tageblatt und sprach über alles und jeden.
Braddock betrat den schmalen Weg, der zwischen den Häusern her zu den Garagen führte. Beide Seiten waren von einer dichten Hecke bewachsen, so dass er so gut wie nichts erkennen konnte.
Nur seine Schritte hörte er, aber auch die versuchte er zu dämpfen.
Über seinen Rücken lief ein Kribbeln. Sein Blick glitt hinein in die Finsternis, und er sah auch die flachen Schatten der Garagen. Darüber den dunklen Himmel, dessen Wolkengebirge ihm einen regelrecht schaurigen Ausdruck gab.
Braddock blieb auf halber Strecke stehen, um sich zu bücken. Sehr genau schaute er sich im Schein seines Feuerzeugs den Boden an, was nicht viel brachte, da die Flamme nicht so stark war.
Kein Blut zu sehen.
Er setzte seinen Weg fort, der Wind fuhr kalt über seinen gebückten Rücken hinweg, und wenig später befürchtete er plötzlich, zu vereisen.
Da war der erste Fleck.
Dunkel, nicht sehr groß, mit zackigen Rändern und dabei leicht schimmernd. Er bückte sich noch tiefer, streckte den Zeigefinger aus und tunkte die Spitze hinein.
Ja, das war Blut!
In seiner Kehle zog sich etwas zusammen. Dunkles Blut, das sogar noch warm war, also konnte es noch nicht lange auf dem Boden gelegen haben.
Wer hatte es verloren?
Die Frage stellte sich automatisch. Obwohl Braddock keinen Beweis dafür hatte, dachte er seltsamerweise wieder an Ed Halloran.
Eigentlich ein Unding, doch er konnte sich von diesem Gedanken nicht lösen. Ihm kam es vor, als wäre eine fremde Macht dabei, ihn immer tiefer festzusetzen, damit er ihn nur nicht verlor.
Es blieb nicht bei dem einen Tropfen. Die Nachbarin hatte Recht gehabt. Die Blutspur zog sich bis zu den hell gestrichenen Garagentoren hin und verlor sich an der linken Begrenzung des Platzes vor einigen starren Büschen.
Braddock runzelte die Stirn und dachte nach. Wenn er sich durch die Büsche schlug und den Weg weiterging, würde er tatsächlich seinen Vorgarten erreichen.
Hatte das einen Sinn?
Braddock schaute sich um. Niemand beobachtete ihn. Die Fassaden der Garagen waren eine glatte, hell-dunkle Kulisse. Die Menschen hatten sich bei diesem Wetter in ihre warmen Wohnungen zurückgezogen.
Er war allein, er fühlte sich allein, und er kam sich plötzlich vor wie im Tunnel und in dieser unheimlichen Felsenhöhle. Dann dachte er wieder an das Blut,
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