0783 - Der Tunnel
Abfindungen diskutiert, aber ihm war noch eine Frist eingeräumt worden, und das wusste auch Lisa Braddock.
Sie sagte mit leiser Stimme. »Morgen ist die Zeit abgelaufen, denke ich.«
Jake nickte nur.
»Man hat die Frist also nicht verlängert?«
»So ist es.«
»Hattest du darum gebeten?«
Er verzog die Lippen. »Was heißt gebeten, ich habe einen Vorschlag gemacht. Bei diesen Typen darfst du um nichts bitten. Das wird dir sofort als Schwäche ausgelegt.«
»Und jetzt?«
Jake schaute seine Frau an. Auch sie sah mitgenommen aus, aber sie hielt zu ihrem Mann, denn eine zwölfjährige Ehe schweißte schon zusammen. Lisa war jetzt fünfunddreißig, eine Frau, die mit beiden Beinen mitten im Leben stand, die nie finanzielle Not gelitten hatte, denn Jakes Gehalt war gut gewesen. Zum erstenmal spürte auch sie, dass jemand dabei war, ihnen allmählich den Boden unter den Füßen wegzuziehen, und sie bewahrte nur mühsam die Fassung, weil sie genau wusste, dass zumindest eine Person stark sein musste, um dem Druck zu widerstehen.
Lisa hatte sich an diesem Abend das Haar gewaschen und es so trocknen lassen. Die graublonden Strähnen hatten sich zu Locken zusammengerollt und hingen zu beiden Seiten des Kopfes herab. Es machte ihr Gesicht jünger, wozu auch die schicke Brille mit dem rotblauen Gestell beitrug.
»Du schweigst noch immer?«
»Ja, Lisa. Ich sehe einfach keine Möglichkeit mehr.« Jake stand auf und schaute sich um. Dabei lächelte er, und dieser Ausdruck um seine Lippen wirkte verloren. »Weißt du, wir haben beide geschuftet, um uns dieses kleine Haus bauen zu können. Es gefällt mir hier, ich bin immer wieder gern zurückgekehrt. Ich habe es gelernt, die Montagereisen zu hassen, das weißt du alles, doch jetzt überkommt mich die Kälte. Dieses Gefühl, bald alles zu verlieren, was mir lieb und teuer geworden ist.«
»Noch ist es nicht soweit, Jake. Außerdem bist du in deinem Beruf ein As. Du wirst woanders einen Job finden, sollte es tatsächlich dazu kommen.«
»Das glaube ich nicht, Lisa. Du kennst die Branche nicht. Wer versagt hat, ist gebrandmarkt.«
»Du hast doch nicht versagt!«, rief sie.
»Das sagst du!« Er schaute sie scharf an. »Andere sehen das eben nicht so. Ich trug die Verantwortung. Ich habe es zu verantworten, dass ein Mensch verschwunden ist. Dazu einer, der sehr wertvoll für die Firma war. Um einen kleinen Arbeiter hätten sie sich nicht gekümmert«, erklärte er mit Bitterkeit in der Stimme. »So ist eben das verdammte Berufsleben, daran können wir nichts ändern.«
»Aber man muss dir doch eine Chance geben!«
Braddock lachte und stimmte seiner Frau danach zu. »Die hat man mir auch gegeben. Eine Frist von drei Tagen, die ist heute leider vorbei. Da ich nicht zaubern kann, habe ich es auch nicht geschafft, den guten Ed wieder herzuholen.«
»Man muss dir doch mehr Zeit geben!«
Jake schaute seine Frau voller Mitleid an. »Mir mehr Zeit? Man hat mir schon Zeit gegeben. Ich darf froh sein, dass ich nicht sofort geflogen bin.«
»Diese Hundesöhne.«
»Stimmt, nur hilft uns das nicht weiter.« Er trat ans Fenster und schaute hinaus in den winterlich kahlen Garten. »Wie du es drehst und wendest, ich bin am Ende.«
»Du bist doch noch einmal zurück in den Tunnel gegangen, und das mit neutralen Zeugen.«
»Na und? Wir haben nichts gefunden. Nicht einmal einen Stofffetzen von seiner Jacke. Ed hat sich in Luft aufgelöst. Er ist weg. Die Höhle hat ihn aufgesaugt. Ich habe die Gesprächsprotokolle vorgeführt. Man hat sie sich angehört und gelächelt, das ist alles, Lisa. Man glaubt mir einfach nicht.«
Auch sie stand auf und trat dicht hinter ihren Mann. Lisa umarmte, ihn. »Was immer auch geschieht«, flüsterte sie an seinem rechten Ohr. »Ich bleibe bei dir und halte auch zu dir. Da kann kommen, was will, Jake.«
Er fasste nach ihren Händen. »Es ist gut, das zu wissen. Dennoch bin ich down. Ich denke auch an unser Kind. Wir haben lange geübt, und ich will, dass es…«
»Darüber solltest du dir keine Gedanken machen, Jake. Es kommt erst in sieben Monaten zur Welt.«
»Trotzdem…«
»Nein, Jake. Wir beide müssen zusammenhalten, und wir werden auch einen Weg finden.«
Er drehte sich um und küsste seine Frau. »Ja, vielleicht hast du Recht«, sagte er wenig später. »Es hat keinen Sinn, dass wir uns den Kopf zerbrechen, ich bin auch müde und werde jetzt zu Bett gehen.«
»Das hatte ich auch vor.«
»Dann bis gleich.«
Es war bei den Braddocks
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