0783 - Der Tunnel
darüber zerbrochen, auf eine akzeptable Lösung war ich jedoch nicht gekommen.
Neben mir räusperte sich Ed Halloran. »Sie… Sie wollen also in den Tunnel gehen?«
»Das hatte ich vor.«
»Und Sie haben sich das auch gut überlegt?«
»Ich denke schon.«
»Dann denken Sie auch daran, was mit mir geschehen ist«, sagte er leise. »Das ist furchtbar gewesen. Sie werden in der Finsternis nichts sehen können, und sie spüren die Todesgefahr, die Sie umgibt. Vielleicht werden Sie schreien und…«
»Haben Sie einen anderen Vorschlag, Ed?«
Er stieß die angestaute Luft aus. »Nein – oder ja. Ich habe mir schon überlegt, ob man den verdammten Stollen nicht einfach sprengen soll.« Er blies in die Luft. »Puff – einfach weg das ganze Zeug. In die Luft jagen, den Tunnel zusammenstürzenlassen.«
»Wäre das denn möglich?«
»Wie meinen Sie?«
»Jetzt und hier?«
Halloran drehte sich herum. »Klar, das ist möglich. Das ist sogar super. Es gibt hier Sprengstoff. Ich weiß auch, wo er liegt. Dafür wurde eigens eine Baracke eingerichtet und…«
»Vergessen Sie das alles«, sagte ich. »Wir sind nicht hier, um das Ding in die Luft zu jagen. Ich will einen Fall lösen, und dazu nehme ich normalerweise keinen Sprengstoff.«
»Trauen Sie sich denn zu, gegen diesen Tunnelwächter anzukommen?«, fragte er hektisch.
»Wäre ich sonst hier?«
Er schaute mich aus großen Augen an. »Stimmt auch wieder.«
Ich kam wieder zur Sache und wollte zudem nicht noch mehr Zeit vergeuden. »Wenn Sie hier draußen auf mich warten, Ed, welche Lampe soll ich Ihnen geben? Ich besitze noch eine zweite.«
»Keine«, sagte er schnell. »Sie werden froh sein, wenn Sie beide haben. Je mehr Licht Sie im Tunnel einschalten, umso besser. Dann verfliegt auch die Angst. Sie ist ja selbst wie ein Schatten, der von der Helligkeit verdrängt wird.«
»Lassen Sie das meine Sorge sein.«
Halloran hob die Schultern. Er war nicht so optimistisch wie ich, sprach wieder von der Sprengung, davon allerdings wollte ich nichts hören. Ich musste einen Fall lösen und ihn nicht zerstören.
Dieser Tunnel und auch die hinter ihm liegende Höhle barg sicherlich genügend Geheimnisse, die mich eventuell auf die Spur der Nebelinsel Avalon brachten. Aber auch das war bisher nur Spekulation.
Ed Halloran wollte noch etwas zu mir sagen, ich aber ging schon vor und ließ ihn stehen. Sein Stöhnen folgte mir.
Mit der Taschenlampe leuchtete ich mir den Weg frei. Ich hielt den Strahl auch nicht nur gegen den viereckigen Eingang gerichtet, sondern schwenkte ihn, so dass er über den Boden hinwegglitt, um eventuelle Hindernisse aus der Finsternis zu reißen, bevor ich darüber stolpern konnte.
Allerdings tat ich etwas, das Halloran nicht hatte tun können. Ich holte mein Kreuz hervor und fühlte, ob es sich nicht erwärmt hatte.
Es war normal geblieben – leider. Demnach gab es keine Gefahr in der Nähe, die aufzuspüren war. Die helle Gestalt jedenfalls hatte sich wieder zurückgezogen. In der viereckigen Tunnelöffnung schwamm die schwarzgraue Finsternis.
Ich sah aus der Nähe, dass sie doch ziemlich hoch und auch relativ breit war.
Da passte schon ein kleiner Transporter hindurch. Die Pfosten bestanden aus rohen Holzstücken, an denen noch die Rinde klebte.
Vor dem Tunnel waren die Steine weggeräumt worden, ich konnte ohne Schwierigkeiten in das Loch hineingehen.
Ein wenig mulmig war mir schon. Auch ich war nur ein Mensch, ausgestattet mit Gefühlen, und allmählich kam so etwas wie die Angst hinzu, die mich bedrängte.
Was würde mich dort erwarten?
Zunächst lauschte ich in den Stollen hinein. Es war nichts zu hören. Kein noch so leises Geräusch, das eventuell von einem Fuß hinterlassen worden war, der über den Untergrund schleifte. Entweder konnte sich die bleiche Gestalt lautlos bewegen, oder sie hatte sich schon so tief in den Felsen hinein zurückgezogen, dass sie nicht mehr zu hören war, trotz der tiefen Stille.
Noch einmal schaute ich zurück.
Ed Halloran war auf seinem Platz stehen geblieben. Er rührte sich nicht. Seine Gestalt verschmolz mit der Dunkelheit. Ich musste schon sehr genau hinsehen, um sie erkennen zu können. Als ich ihm zuwinkte, rief er mir seine Frage entgegen. »Wie lange soll ich warten?«
»Bis ich zurück bin.«
»Tot oder lebendig.«
»Lebendig, hoffe ich.«
»Und wenn nicht?«
»Setzen Sie sich in meinen Wagen und fahren zu Scotland Yard. Dort können Sie alles erklären. Ich habe den Zündschlüssel
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