0783 - Der Tunnel
nichts anderes als eine große, tiefe Wunde, hineingestoßen in den Schoß der Erde.
Kein gutes Omen, aber es würde immer wieder Menschen geben, die versuchten, Bodenschätze zu »rauben«, ob es nun nötig war oder nicht. Dahinter stand die Profitgier.
»Wir müssen gleich nach rechts. Fahren Sie ruhig einen Bogen, da können Sie dicht heran.« Ed hatte sich so weit nach vorn gebeugt, dass er mit dem Gesicht dicht vor der Frontscheibe hing.
Es dauerte nicht lange, bis die Unebenheit des Bodens verschwand und wir über ein plattiertes und auch mit flachen und glatten Kieselsteinen bedecktes Stück Land rollten. Hier schlug ich den Bogen und erkannte im Licht der beiden Scheinwerfer, wie das Gelände zum Bruch hin abfiel.
Zum Glück nicht sehr steil. Wir würden auf der Fahrt kaum ins Rutschen kommen.
Ich fuhr dennoch vorsichtig. Keiner von uns sprach. Auch mich hatte eine seltsame Spannung ergriffen. Wir zerstörten mit unserer Ankunft die nächtliche Stille und bekamen selbst die Geräusche sehr genau mit, das Knirschen der kleinen Steine unter den Reifen und das Rollen der Räder.
Der Weg führte nicht gerade in die Tiefe. Ich musste Kurven fahren, die allerdings wegen der Lastwagen gut ausgebaut waren. Ich bekam mit dem Rover keine Schwierigkeiten.
Das Licht strahlte bereits über den Boden. Ich sah auch das Ende dieses gewaltigen Lochs. Dort wurde es von einer Steilwand gebildet, die in südliche Richtung wies.
»Da hinten ist auch der Tunnel«, erklärte Ed flüsternd.
»Gut.«
Baracken erschienen im Licht. Es waren Container. Fertigbauweise. Schnell aufzustellen und ebenso schnell wieder abzubauen. Auch ein Toilettenhaus geriet in mein Blickfeld und ebenfalls Lastwagen mit gewaltigen Rädern.
Entsprechende Maschinen sah ich auch. Mächtige Bagger, ein Transportband sowie einen großen Bohrer, der auf einem fahrbaren Untersatz seinen Platz gefunden hatte.
»Wo soll ich halten?«
Halloran verzog den Mund und hob die Schultern. »Na ja, wir können ziemlich nahe an das Ziel heran. Fahren Sie etwas weiter nach links. Da steht die Chefbaracke, wo Braddock sein Büro hat.«
Ich sah sie und lenkte den Rover dorthin. Kurz zuvor holperten wir über lange Holzbretter, an deren Ende ich das Fahrzeug anhielt.
»So, da wären wir.«
Ed nickte nur.
»Wie fühlen Sie sich?«
Er warf mir einen etwas längeren Blick zu. »Ich weiß nicht, was ich Ihnen darauf antworten soll.«
»Versuchen Sie es mit der Wahrheit.«
»Nicht eben wie jemand, der nach langer Suche endlich wieder nach Hause gekommen ist.«
»Das kann ich mir denken.« Ich öffnete die Tür und verließ als erster den Rover. Die mich umgebende Stille verstärkte den Eindruck der Mondlandschaft noch mehr. Es war einfach nichts mehr zu hören, die Umgebung schwieg, die übrige Welt schien Lichtjahre entfernt zu sein, denn bis hier unten hin drang kein Laut.
Da ich das Licht gelöscht hatte, war die Dunkelheit zu einem Tuch geworden, an dessen Schwärze wir uns erst noch gewohnen mussten. Als ich Halloran darauf ansprach, lachte er und meinte: »Das ist nichts zu der Dunkelheit hinter dem Tunnel. Vorausgesetzt, sie hat sich nicht zurückgezogen.«
»Warum sollte sie?«
»Ich weiß es nicht.« Ed schaute sich um. »Ist ziemlich leer hier«, gab er zu. »Bin gespannt, ob sie überhaupt weiterbauen werden.«
»Möglicherweise haben das die anderen Kräfte gewollt. Da sollte niemand gestört werden. Manchmal kann das Vergessen sehr wichtig sein, nehme ich mal an.«
»Möglich. Ich habe noch nie über diese Philosophie nachgedacht. Ich war immer ein Mann der Tat, daran hat sich bis heute auch nichts geändert.«
»Dann können wir gehen?«
»Sicher.«
Da ich mich nicht allein auf meine Bleistiftleuchte hatte verlassen wollen, hatte ich mir aus dem Handschuhfach noch die Stablampe geholt, die ich nun einschaltete. Ich verfolgte den Lichtarm, der über einen trockenen, steinigen Boden tanzte. Der Staub lag auch in der Luft, ich konnte ihn sogar riechen, und ich empfand nichts Besonderes dabei.
Ed Halloran streckte seinen Arm aus und deutete nach vorn. Der Zeigefinger wies gestreckt gegen die dunkle Wand, wo sich auch das Tunnelloch befinden musste, das ich bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte. Auf den Eingang war ich deshalb sehr gespannt.
Wir gingen nebeneinander. Ich hatte Ed die Lampe geben wollen, er aber schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war gespannt, nichts regte sich darin. Wahrscheinlich wurde er von Erinnerungen überflutet,
Weitere Kostenlose Bücher