0784 - Avalons Geistergräber
möchte ich etwas essen.«
»Okay, wenn es dich stärker macht.«
»Keine Sorge, ich bin nicht Popeye, und auf Spinat kann ich gut und gern verzichten.«
Bill lachte. Bei ihm war es das letzte Lachen für die nächste Zeitspanne.
***
Der König erwachte aus seinem tiefen magischen Schlaf. Es gab daran nicht den geringsten Zweifel, und nicht nur der Zauberer Merlin war Zeuge, sondern auch zwei Menschen, die in diesem geheimnisvollen Land eigentlich nichts verloren hatten.
Beide wagten es nicht, auch nur den kleinsten Finger zu rühren.
Sie wollten die beinahe schon heilige Stille nicht durchbrechen, denn hier lief etwas ab, das die Naturgesetze auf den Kopf stellte.
Zum Glück waren sie keine Neulinge auf dem Gebiet, aber immer wieder erlebte Suko bei seinen Fällen das große Staunen, und für den früher blinden Abbé musste dieser Vorgang eine noch größere Bedeutung haben, denn diesmal vollzog er ihn optisch selbst nach, ansonsten hatte er sich immer auf die Berichte anderer verlassen.
Der Zauberer war einen Schritt zur Seite getreten, um von dort zu beobachten.
Es war auch nicht mehr so. Wie schon in der großen Halle war ein ungewöhnliches Licht erschienen. Hier allerdings mehr dunkel als hell und trotzdem sehr scharf, damit auch die Konturen hervortreten konnten. Suko hatte dabei den Eindruck, dass sich dieses graue Licht in der Nähe des Throns besonders verdichtete, weil sich dort eben der Mittelpunkt befand.
Der König hob seinen Kopf an, auch der Ellbogen rutschte von der Lehne, so dass Artus in eine normale Sitzhaltung geriet. Er öffnete auch die Augen mit einer fließenden Bewegung. Suko und der Abbé, die keinen Blick vom Gesicht der Gestalt genommen hatten, staunten über die Helligkeit in den Pupillen.
Bloch wischte über seine Augen. Er konnte nicht mehr an sich halten und flüsterte: »Ich träume doch nicht – oder?«
»Nein, es ist alles wahr.«
»Wahnsinn. Wir erleben eine Legende, die lebt. Damit komme ich einfach nicht zurecht. Ist er tot, ist er nicht tot? Was geht hier eigentlich vor? Kannst du mir das sagen?«
»Magie…«
»Sonst noch was?«
Suko lachte leise. »Möglicherweise auch Geschichte. Ich weiß es nicht. Hier ist alles anders, mein Freund. Offiziell ist König Artus tot, doch wir sehen ihn lebend. In Avalon sind die Tatsachen – falls man überhaupt von ihnen sprechen kann – auf den Kopf gestellt worden. Alles ist anders, mein Lieber. Wir sind der Realität entrissen und bewegen uns in einer geisterhaften Parallelwelt, ein Zwischenreich – weder das Diesseits noch das Jenseits.«
Der Templer nahm Sukos Antwort hin. Es musste von ihm einfach akzeptiert werden, denn es gab keine andere Möglichkeit. Viele Rätsel hatten sich um die letzte Ruhestätte des großen Königs gerankt.
Sie wussten nun, dass er noch existierte, für sie hatte sich das Tor nach Avalon geöffnet, und keiner von ihnen dachte in diesen Augenblicken an eine Rückkehr in ihre Welt, sie waren beide von den Vorgängen zu fasziniert, bei denen nur etwas fehlte.
Das reine Sprechen, die Erklärungen, einfach die Stimme des geheimnisvollen Königs. Sie war nicht vorhanden, und auch die Skelette in den Särgen verhielten sich still.
Merlin war zurückgetreten. Der Zauberer bewegte sich, ohne einen Laut abzugeben. Er wurde zu einem milchigen Umriss im geheimnisvollen Dämmer der Höhle.
Artus blieb auf seinem Thron sitzen. Den Kopf hielt er gesenkt, als wäre der Druck der Krone einfach zu stark geworden. Sein Gesicht sah aus wie geschnitzt, nur die Augen »lebten«. Und ihr Glanz musste einfach eine gewisse Bedeutung haben, denn er erinnerte an eine Botschaft, die nicht den beiden Erdenmenschen galt.
Sie fühlten es, dass bald etwas passieren würde. Innere Zeichen, die sie nicht erklären konnten, eine kaum merkbare Unruhe, etwas Geheimnisvolles, das heranglitt.
Suko drehte den Kopf nach links. Huschten dort helle Schatten durch die Grabstätte? Er kriegte eine Gänsehaut. Kalte Luft wehte über sein Gesicht, auch der Abbé schauderte zusammen und blickte Suko fragend an.
»Ich weiß nichts.«
»Aber du spürst es.«
Der Inspektor nickte. »Ja«, flüsterte er, »es ist etwas da, das sich nicht aufhalten lässt. Es kam hierher, es löste sich aus dem Unsichtbaren, wo es gelauert oder gewartet hat. Aber es gehört hierher, Abbé. Es ist ein Teil davon…«
»Geister?«
»Sicher.«
Sie schwiegen, obwohl die Fragen noch offen standen. Wieder traf sie der kalte Hauch, doch diesmal wurde
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