079 - Im Würgegriff des Nachtmahres
wie
ein Vogel vom Erdboden zu erheben.
Weiterhin war sie gezwungen, auf der Stelle zu verharren.
Die Angst nahm zu. Sie spürte die Einsamkeit, die furchtbare
Bedrohung, und sie war überzeugt davon, von einer unsichtbaren Macht auf einer
teuflischen Welt ausgesetzt worden zu sein.
„Es ist nur ein Traum!" versuchte sie sich zu beruhigen. „Nur
ein Traum! Gleich wirst du aufwachen, und alles wird vorbei sein! Es kann nicht
mehr schlimmer werden."
Aber sie wachte nicht auf. Und es wurde noch schlimmer.
Danielle Rouson wurde Zeuge, wie eine Alptraumlandschaft entstand.
Das, was sie sah und erlebte, mußte in den Tagen, als die Erde erstand, genauso
gewesen sein.
Wüst und leer, menschenfeindlich: kein Baum, kein Strauch, kein
Lebewesen.
Das Gefühl der Verlorenheit wurde unerträglich.
Ihre Augen glühten. Die Hilflosigkeit, unter der sie litt, kam ihr
mit jeder Faser ihres Körpers voll zu Bewußtsein.
Scharfkantige, titanenhafte Berge wuchsen neben ihr empor, ragten
spitz, kahl und glühend in den aufgewühlten Himmel.
Heiße Lava floß in Bächen die steilen Abhänge herab und vermählte
sich zischend mit dem brackigen, übelriechenden Wasser, das aus den Erdspalten
sprudelte und riesige Tümpel bildete.
Das Wasser schwappte über auf ihre kleine Insel, die von der
langen, endlosen Straße übriggeblieben war.
Das Wolkengebirge senkte sich auf sie herab. Turmhoch quollen die
Wolkenberge über ihr auf, formierten sich im heftigen Wind zu fantastischen,
erschreckenden Gebilden.
Die Form erinnerte an einen riesigen Menschen, an ein
aufquellendes Ungetüm mit gigantischen Armen und Beinen und einem
furchteinflößenden Kopf, der groß und massig wie ein Berg war.
Ein häßliches Lachen, welches das Tosen des Sturms übertönte,
erfüllte die Luft.
Die riesigen Arme umschlangen sie, und Danielle Rouson fühlte den
ungeheueren Druck, dem sie ausgesetzt war.
Sie keuchte. Ihr Brustkorb wurde so heftig zusammengedrückt, daß
der Atem knapp wurde.
Danielle Rouson schrie. Sie schlug um sich. Der Gedanke, zu
ersticken, erfüllte sie mit panikartigem Entsetzen.
„Loslassen!" keuchte sie. Ihr Schrei kam aus der Kehle wie
ein dumpfes Gurgeln.
Sie war schweißüberströmt.
„Aaaaaaahhh!"
Der ganze riesige Körper begrub sie unter sich.
●
„Aaaaaahhh!"
Sie nahm den Schrei aus ihrem furchtbaren Traum mit in die
Wirklichkeit.
Sie lag im Bett, ihr Herz schlug wie rasend, das dünne Nachthemd
klebte an ihrer Haut.
Danielle Rouson riß die Augen weit auf, sah die vertraute
Umgebung, begriff, daß sie wieder einmal nur schlimm geträumt hatte.
Die riesige, unheimliche Gestalt aus ihrem Alptraum stand noch
deutlich vor ihrem geistige Auge.
Sie sah die furchtbare Fratze vor sich, die glühenden,
unheilvollen Augen, den riesigen Schatten, der über sie fiel und der sie unter
sich begrub.
Aber der Schatten— direkt vor ihr — war noch immer da, näherte
sich ihr, auch jetzt, im Wachzustand!
Zitternd, die Stirn mit kaltem Schweiß bedeckt, richtete sich die
junge Französin auf. Wahnsinn flackerte in ihren Augen.
„Nein!" entrann es ihren Lippen, und alles in ihr wehrte sich
gegen das, was sie sah.
Sie war nicht allein in ihrem Zimmer.
Am Fußende ihres Bettes saß jemand. Eine Gestalt.
Danielle Rouson öffnete den Mund zum Schrei.
Der nächtliche Besucher beugte sich über sie.
Dies war kein Alptraum mehr. Es war blutwarme Wirklichkeit.
Die Hände des unfaßbaren Geschöpfes legten sich um ihren Hals.
Der Druck, den sie noch eben im Traum gefühlt hatte, verstärkte
sich wieder, und mit unbarmherziger Klarheit grellte der Gedankenblitz in ihr
Bewußtsein.
Sie war bereits im Traum gewürgt worden! Und nur die Sekunde, die
sie gebraucht hatte, vom Schlaf zum Wachen zu kommen, war sie aus dem
Würgegriff des Nachtmahr geraten, hatte er ihr Luft gegeben. Sie sollte ihren
Tod nicht im Traum — sondern in Wirklichkeit bewußt miterleben.
Die Augen der jungen Studentin traten aus den Höhlen. Der Druck
der Finger um ihren weißen Hals schmerzte schon nicht mehr. Die Schmerzgrenze
war überschritten.
Der Nachtmahr holte seine Braut heim in sein Reich.
Danielle Rouson wurde zu Tode gedrückt.
●
Der Nachtmahr ließ sein neues Opfer los, als er merkte, daß kein
Funken Leben mehr in dem Körper war.
Das irrlichternde Feuer in den Augen des unheimlichen Besuchers
erlosch.
Das Gesicht wurde klar und hell, der verzerrte angespannte,
absolut bösartige Ausdruck schmolz dahin.
Wäre
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