0793 - Als der Engel Trauer trug
ließ. Sie ging davon, nahm ihr Kind mit, und wir konnten sehen, wie sie auf eine der Wände zuging, davor jedoch nicht halt machte, sondern in das Gemäuer hineintrat sich von ihm verschlucken ließ und dann verschwunden war.
Nichts war mehr zu sehen, gar nichts.
Wir standen da wie betäubt. Anders erging es den Kindern auch nicht. Sie blieben stumm, aber sie begannen sehr bald, sich zu bewegen. Alles lief langsam ab, als wären sie aus einer tiefen Trance erwacht. Da spielten kleine Hände mit Puppen, Finger wischten durch Augen, als wollten sie den Schlaf aus ihnen reiben, Körper drehten sich einander zu, Gesichter schauten sich an aber es wurde noch nicht gesprochen. Die Kinder standen zu sehr unter den Eindruck des Erlebten, und ich war mir fast sicher, dass sie darüber kaum etwas zu berichten wussten, wenn man sie danach fragte.
Eine dunkelhaarige junge Frau erholt sich als Erste. Es war eine der beider Erzieherinnen, die ihren Zustand als Erste überwunden hatte, das Haar zurückstrich, stehen blieb und zunächst den Kopf schüttelte. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht, war sehr schlank und auch nicht groß. Ihre dunklen Augen blickten verwirrt.
Drugg stieß mich an. »Das ist Ela Roorke. Sie hat nach Jennas Weggang ihrer Posten übernommen.«
Sie hatte wohl ihren Namen gehört denn sie drehte uns den Kopf zu und schaute etwas skeptisch gegen Suko und mich, denn den Sergeant kannte sie.
»Hi, Ela…«
Ein flüchtiges Lächeln umzuckte die Lippen der Erzieherin. Sie überwand sich selbst, kam auf uns zu, und wollte eine Frage stellen, doch ich kam ihr zuvor.
»Können wir irgendwo in Ruhe reden, Miss? Wir sind Kollegen von Sergeant Drugg.«
Als Drugg nickte, da war sie einverstanden »Kommen Sie mit«, sagte sie leise und ging vor. Ihr Ziel war eine schmale, weiß gestrichene Tür mit bunten Aufklebern darauf. Dahinter lag ein kleines Büro, in dem unter anderem zwei Schreibtische standen. Als wir eintraten, schaltete Ela das Licht ein.
»Bitte, nehmen Sie Platz.« Sie selbst setzte sich hinter einen Schreibtisch und strich durch ihr Gesicht. Dann entschuldigte sie sich dafür, dass sie noch immer nicht so recht dabei war und noch unter den Nachwirkungen zu leiden hatte.
»Genau darüber wollten wir mit Ihnen sprechen, Ela.«
»Das dachte ich mir.«
Ich sagte: »Sie haben etwas erlebt, das uns sehr interessiert. Würden Sie uns Einzelheiten darüber berichten?«
Wieder strich sie das dunkle Haar zurück »Es… es ist nicht ganz einfach.«
»Aber sehr wichtig!«, drängte Drugg. Dann stellte er uns vor. Miss Roorke schien beruhigter zu werden, als sie hörte, dass wir von Scotland Yard kamen.
»Bitte, dann fragen Sie!«
Suko übernahm das Wort. »Wer war diese Erscheinung? War es Jenna Wade, wie wir glauben?«
Ela hob die Schultern. »Glauben heißt nicht wissen. Ich kann es nicht bestätigen.«
»Also nicht Jenna Wade?«
»Ich weiß es wirklich nicht.«
»Wer könnte es denn gewesen sein?«, fragte ich.
Sie hob die Schultern.
»Okay, ich verstehe Sie, Ela, aber wollen Sie nicht von vorn beginnen? Erzählen Sie uns, wie alles begonnen hat, vielleicht kommen wir dann zu einer Lösung.«
»Begonnen?«, murmelte sie und wirkte dabei geistesabwesend.
»Ja, alles hat einen Anfang. Sie war plötzlich da, und die Dinge wurden anders.«
»Wie anders?«
Ela schaute aus dem Fenster, als könnte sie im Dunst eine Lösung finden. »Es ist traumhaft geworden. Verschwommen und doch wahr. Verstehen Sie?«
Das war uns zu wenig. Ich sah es Suko ebenso an wie Sergeant Drugg. Mein Freund hatte die Stirn gerunzelt, während der Sergeant sich eines Kommentars enthielt, doch sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Er begriff einfach nichts. In sein Leben war etwas hineingeraten, über das er niemals zuvor nachgedacht hatte. Er konnte es drehen und wenden, mit dem normalen Verstand war das nicht zu begreifen.
»Hatten die Kinder Angst?« Diesmal kam Suko wieder auf das Thema zu sprechen.
»Nein, niemals. Sie… sie fühlten sich wohl. Sie sind nur sehr still geworden, als die Gestalt den Raum betrat.«
»War sie Jenna Wade?« Suko hatte die Frage bewusst wiederholt, denn jetzt, wo wir tiefer in die Materie hineingedrungen waren, würde sich die Frau vielleicht besser erinnern können, doch sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke nicht. Jenna ist doch tot, auch wenn Sie mich ein drittes Mal fragen, ich kann es Ihnen nicht sagen. Es… es war kein Mensch, das stimmt schon, aber Jenna …« Sie
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