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0794 - Sieben Leben, sieben Tode

0794 - Sieben Leben, sieben Tode

Titel: 0794 - Sieben Leben, sieben Tode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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Ehrmann markierte den Weg jedes Mal gewissenhaft mit einem der Ziegelsteinsplitter, die sie mitgenommen hatten. Mahrzahn kam das ziemlich sinnlos vor.
    Plötzlich fiel ihm die Stille auf. Susanne Greve war stehengeblieben und streckte die Nase in die Luft, wie ein Spürhund, der Witterung aufgenommen hatte.
    Hat es der Alten doch tatsächlich die Sprache verschlagen!
    »Ich nehme eine fremde Aura wahr«, flüsterte sie. »Etwas liegt vor uns. Ich kann die Schwingungen fast körperlich spüren.«
    Mahrzahn verdrehte die Augen.
    »Ich würde viel lieber wissen, wo wir eigentlich sind«, sagte Ehrmann. »Dieses Labyrinth scheint sich durch die gesamte Stadt zu ziehen.«
    Susanne Greve blickte die beiden spöttisch an. »Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass wir uns noch auf der Erde befinden, meine Herren. Das Fabrikgebäude war das Tor in eine andere Welt! Der Meister hat es aufgestoßen, und wir sind hindurchgegangen, ohne dass wir es bemerkt haben.«
    »Wenn Sie es sagen«, brummte Mahrzahn.
    »Es ist direkt vor uns«, wiederholte die matronenhafte Hellseherin. »Schon hinter der nächsten Biegung kann es auf uns lauem.«
    »Wovon sprechen Sie eigentlich?«, fragte Ehrmann besorgt.
    Aber Susanne Greve antwortete nicht, sondern ging einfach weiter. Dabei wirkte sie abwesend, fast somnambul - als folge sie einem inneren Drang, der sie weiter und weiter durch den Gang trieb.
    Mahrzahn spürte, wie die Angst in ihm hoch kroch. Doch er widerstand dem Impuls, sich umzudrehen und fortzulaufen. Schließlich wollte er sich vor den anderen nicht blamieren.
    Sie erreichten eine Biegung, hinter der der Gang sich abermals scheinbar hunderte von Metern in die Länge zog.
    Hört das denn nie auf?, dachte Mahrzahn beklommen.
    Aber etwas war diesmal anders. Auf der rechten Seite des Ganges befand sich eine Aushöhlung. Der Gang verbreiterte sich zu einer Art Raum, ähnlich dem, in dem Bernau und die anderen nach dem Einsturz erwacht waren.
    Der Raum wurde von einem gelblich schimmernden Licht erfüllt, das geringfügig heller war als das diffuse Zwielicht, das den größten Teil des Labyrinths einhüllte. Es ging von einem winzigen Punkt aus, der hell strahlend und scheinbar schwerelos in der Luft hing.
    »Das gibt es doch nicht…«, flüsterte Mahrzahn ergriffen.
    Es war nicht nur diese seltsame Mini-Sonne, die ihnen schier die Sprache raubte.
    Im Leben spendenden Schein der Sonne wuchs eine Kolonie von zwanzig bis fünfundzwanzig mannshohen Blumen, deren fleischige Stängel und Blätter in allen Regenbogenfarben schimmerten.
    »So etwas Wundervolles habe ich ja noch nie gesehen«, hauchte Susanne Greve. »Das ist ein Zeichen des Schicksals ! Seht nur, diese hübschen Blätter…«
    Sie war an die Blumenkolonie herangetreten und strich mit der Hand über die geäderte Oberfläche der Blätter. Das Blatt schwang zurück, ebenso wie der Stängel, fast als ob sie sich vor der Berührung zu fürchten schienen.
    »Wir müssen Zamorra davon erzählen«, sagte Tony Ehrmann.
    Mahrzahn nickte, halb spöttisch, halb zustimmend. »Am besten wir reißen eine der Blumen raus und nehmen sie mit. Dann kann sich unser Hexenmeister selbst ein Bild davon machen.«
    Susanne Greve blitzte ihn giftig an. »Sie Vandale werden diese Pflanzen nicht beschädigen!« Sie schloss die Augen und schnupperte lächelnd an den Blüten. »Wie himmlisch sie duften! Ich bin sicher, dass es sich um Zauberpflanzen handelt. Kräftiger als Hexenkraut und wirkungsvoller als Mandragora…«
    Susanne Greve war noch immer in ihr Lächeln vertieft, als sich die Stängel vor ihr zur Seite bogen und eine Gestalt wie aus dem Nichts direkt vor ihr auftauchte.
    Ein Mann.
    Blass. Nackt.
    Blutunterlaufene Würgemale entstellten seinen Hals.
    »Zurück, Frau Greve!«, schrie Mahrzahn.
    Aber da hatte der Untote sie bereits in seinen Klauen.
    ***
    Zamorra war kurz davor, die Hoffnung aufzugeben - zumindest die Hoffnung, dass sie auf normalem-Wege einen Ausweg aus dem Labyrinth finden würden. Wer immer dieses Tunnelsystem angelegt hatte, hatte es darauf abgesehen, dass man sich darin verirrte.
    Und genau das war das Problem. Es gab kein solches System unterhalb der Hansestadt, soweit Zamorra wusste. Anders als in Wien oder anderen alten Städten gab es in Hamburg keine Katakomben, deren zugängliche Teile für Besucher geöffnet waren und von denen man unmöglich sagen konnte, wie weit sie sich unter der Stadt verzweigten.
    Wir sind das Opfer einer magischen Illusion. Wir haben nur

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