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0795 - Entführt in die Totenstadt

0795 - Entführt in die Totenstadt

Titel: 0795 - Entführt in die Totenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Montillon
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geschwiegen.
    Vasu fand keinen Weg, um aus Yamapura zu entkommen. Er begann zu glauben, was man sich über die Totenstadt erzählte. Man konnte sie nur dann verlassen, wenn es dem Willen ihres Herrschers entsprach…
    Und doch war trotz der Hoffnungslosigkeit, die sich in ihm auszubreiten begann, Flucht das einzige Ziel seiner Bemühungen. Seit nunmehr sechs Stunden irrte der Halbgott in dem martialischen Dämonenkörper durch die gespenstischen Gassen der Totenstadt.
    Er war in ein Viertel gelangt, das sich von den bisher von ihm durchquerten Stadtteilen deutlich unterschied. Die grauen, zerfallenen Gebäude wirkten hier wie organisch gewachsen. Manchmal meinte Vasu, durchscheinende Membranen wie hauchdünne Gaze vor den meist runden Fensteröffnungen wehen zu sehen.
    Doch als er danach greifen wollte, verflüchtigte sich die Masse unter seinen Fingern, sodass er sich fragte, ob er überhaupt etwas berührt hatte. Allerdings blieb ein leichtes, bohrendes Kribbeln an den Fingerspitzen zurück.
    Jetzt sah Vasu sich eines der Häuser genauer an und bemerkte einen weiteren seltsamen Umstand. Es gab keine Eingangstür. Obwohl es ihn von seinem eigentlichen Ziel ablenkte, war er von der Atmosphäre, die das Stadtviertel ausstrahlte, fasziniert.
    Er beschloss, mehr herauszufinden. Aus welchem Material die Häuser wohl bestanden? Er berührte erstmals eines der Gebäude direkt. Ein Pulsieren lief durch die Wand, ausgehend von der Stelle seiner Berührung. Und Vasu vermeinte ein Wispern zu hören.
    Er konnte die Worte nicht wirklich verstehen, doch er konnte vereinzelte Silben aus der altindischen Sprache heraushören. Die Botschaft des Wisperns erschloss sich ihm jedoch auf einer anderen Ebene. Bildlich sah er das vor sich, was das Haus ihm mitteilte. »Störe meine Ruhe nicht.«
    Erschrocken ließ Vasu den Körper des Dämonenhauptmanns etwas zurückweichen.
    Er prallte mit jemandem zusammen!
    Das seltsame lebende Haus hatte ihn dermaßen gefangen genommen, dass er die Annäherung des anderen nicht wahrgenommen hatte. Das konnte ein verhängnisvoller Fehler sein!
    Er wirbelte herum und erkannte die Gestalt sofort. Yamaduta, der Bote des Totengottes Yama, sein Diener seit Ewigkeiten, stand ihm gegenüber. »So sehen wir uns wieder«, zischte Vasu. Yamaduta war es gewesen, der ihn hierher in die Totenstadt brachte, nachdem die menschlichen Entführer sich mit ihm an einer Toten-Verbrennungsstätte außerhalb New Delhis getroffen hatten.
    »Du bist mir lästig, kleiner Halbgott«, murrte Yamaduta. »Glaube ja nicht, dass ich dich in diesem Körper nicht erkenne oder Angst vor dir habe. Du bist kein ernsthafter Gegner für mich, egal in welcher Gestalt du mir gegenübertrittst.«
    »Das werden wir ja sehen«, antwortete Vasu und rüstete sich zum Kampf. Er bleckte seine Reißzähne und ließ sein Gegenüber in besonders hell aufblitzende Augen blicken. Yamaduta stand so nahe bei ihm, dass Vasu meinte, das rote Leuchten seiner Augen in dessen metallenem Schultergurt reflektieren zu sehen.
    »Ich möchte nicht mit dir kämpfen, Vasu. Yama schickt mich nun erneut zu dir und unterbricht zum zweiten Mal meine eigentliche Aufgabe, an der ich Gefallen finde und die ich fortführen möchte.«
    Vasu kannte die Funktion-Yamadutas natürlich. »Nach all den Jahrhunderten möchtest du immer noch Seelen von Verstorbenen aus der Menschenwelt in die Heimat der Toten führen?«
    »Die Reise immer wieder zu wiederholen, ist meine Bestimmung. Es sind jeweils vier Stunden und vierzig Minuten von äußerster Harmonie und Präzision.« Yamaduta deutete mit einem seiner Arme auf Vasu. »Doch du unterbrichst den Kreislauf der Reise nun schon zum zweiten Mal. Yama lässt dir ausrichten, dass du aus der Totenstadt niemals entkommen kannst. Es gibt keinen Weg hier heraus, außer dem, den ich gehe. Und den kann nur der beschreiten, der von mir oder von Yama selbst auf die Reise zurück in die Menschenwelt geschickt wird.«
    »Deine Worte haben ihr Ziel verfehlt«, begehrte Vasu auf. Der Bote des Totengottes hatte ihm lediglich die Ausweglosigkeit seiner Gefangenschaft vor Augen führen wollen, doch er hatte ihm stattdessen unwissentlich Hoffnung gespendet. »Ich werde dich dazu zwingen, mit mir zusammen die Totenstadt zu verlassen.«
    Yamaduta lachte dröhnend auf. »Niemand kann mich zwingen. Ich lasse nur die hier hinaus, die ich hinaus lassen will.« Er vollführte eine alles umfassende Handbewegung. »Und das war in all den Zeiten noch niemand!«,

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