08 - Ehrenschuld
nur zu berechtigt: Die CIA hatte noch immer keine Leute in Indien eingesetzt. Ryan nahm sich vor, mit Brett Hanson über den Botschafter zu sprechen. Erneut. Psychiater bezeichneten sein Verhalten als »passiv-aggressiv«, was bedeutete, daß er nicht ablehnte, aber auch nicht mitarbeitete. Ryan war immer wieder erstaunt, daß bedeutende erwachsene Personen sich so oft wie Fünfjährige verhielten.
»Irgendwelche Zusammenhänge zwischen seinen Landausflügen und seinen Bewegungen?«
»Nicht zu erkennen«, antwortete Robby kopfschüttelnd.
»Was sagen die Lauscher?« fragte Jack, neugierig, ob die National Security Agency, ein weiterer Schatten seines früheren Selbst, versucht hatte, den Funkverkehr der indischen Flotte abzuhören.
»Wir bekommen einiges via Alice Springs und Diego Garcia, aber bloß das Übliche. Das meiste sind Marschbefehle für Schiffe, nichts von wirklich operativer Bedeutung.«
Jack hätte sich gern darüber ausgelassen, daß die Nachrichtendienste seines Landes nie hatten, was er brauchte, aber das hatte einen einfachen Grund: Was er an nachrichtendienstlichen Erkenntnissen bekam, diente Amerika in der Regel dazu, Problemen vorzubeugen oder Probleme abzuwenden, bevor sie zu Problemen wurden. Nur die Dinge, die man übersah, entwickelten sich zu Krisen, und die wurden übersehen, weil anderes wichtiger war bis aus kleinen Krisen große wurden.
»Wir haben also nur das, was wir aus ihrem operativen Verhalten schließen können.«
»Und das siehst du hier«, sagte Robby und ging zur Karte.
»Sie drängen uns ab ...«
»Und zwingen Admiral Dubro, seinen Standort preiszugeben. Ziemlich raffiniert, muß ich schon sagen. Auf dem Meer ist mächtig Platz, aber wenn zwei Flotten drauf rumdampfen, kann es richtig eng werden. Er hat noch nicht um eine Aktualisierung der Einsatzdoktrin gebeten, aber wir sollten uns darüber Gedanken machen.«
»Was ist, wenn sie diese Brigade auf ihre Amphibienschiffe laden?«
Ein Oberst von der Army, einer aus Robbys Stab, antwortete: »Sir, für mich wäre das ganz einfach. Sie haben schon Truppen im Land, die mit den Tamilen unter einer Decke stecken. Damit haben sie praktisch schon einen Brückenkopf, und die Landung ist reine Formsache. Das Schwierige an einer Invasion ist, als geschlossene Einheit das Ufer zu erreichen, aber nach meinem Eindruck ist das schon gelaufen. Ihre 3. Panzerbrigade ist eine sehr schlagkräftige Formation. Die Srilanker haben, kurz gesagt, keine Chance, sie aufzuhalten oder gar zurückzuwerfen. Als nächstes schnappt man sich dann ein paar Flugplätze und fliegt die eigenen Infanterietruppen ein. Sie haben 'ne Menge Leute unter Waffen. Fünfzigtausend Infanteristen für diese Operation abzuzweigen ist für die ein Klacks.«
»Ich vermute, daß sich dort langfristig ein Rebellenkrieg entwickeln könnte«, fuhr der Oberst fort, »aber die ersten paar Monate würden ohne Frage den Indern zufallen, und da sie mit ihrer Marine die Insel blockieren können, würde den Rebellen der Nachschub abgeschnitten. Ich tippe darauf, daß Indien gewinnt.«
»Politisch werden sie Ärger kriegen«, überlegte Ryan. »Die Vereinten Nationen werden sich ziemlich ereifern ...«
»Aber es ist unheimlich schwer, Macht in die Gegend zu projizieren«, erläuterte Robby. »Sri Lanka hat keine traditionellen Bundesgenossen, es sei denn Indien. Sie können nicht die religiöse oder ethnische Karte ausspielen. Rohstoffe, derentwegen wir uns aufregen könnten, sind auch nicht da.«
Ryan überlegte weiter: »Ein paar Tage lang wird die Sache Schlagzeilen machen, aber wenn die Inder es schlau anstellen, machen sie Ceylon zu ihrem einundfünfzigsten Bundesstaat ...«
»Eher wohl zu ihrem sechsundzwanzigsten, Sir«, schlug der Oberst vor, »oder zu einem Anhängsel von Tamil Nadu, aus ethnischen Gründen. Es könnte sogar helfen, die Schwierigkeiten zu entschärfen, die die Inder selbst mit den Tamilen haben. Ich vermute mal, daß es da gewisse Kontakte gegeben hat.«
»Vielen Dank.« Ryan nickte dem Oberst zu, der seine Hausaufgaben gemacht hatte. »Aber dahinter steckt das Konzept, die Insel politisch zu einem Teil ihres Landes zu machen, mit allen Bürgerrechten und so weiter, und auf einmal ist das Ganze überhaupt kein Thema mehr. Elegant«, bemerkte Ryan. »Aber sie brauchen einen politischen Vorwand, ehe sie einmarschieren können. Diesen Vorwand liefert ihnen sehr wahrscheinlich ein Wiederaufflammen der tamilischen Rebellion, das sie natürlich jederzeit entfachen
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