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08 - Ehrenschuld

08 - Ehrenschuld

Titel: 08 - Ehrenschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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nicht nötig gewesen, daß Barbara Linders und Lisa Beringer von einem Mann, dem sie vertrauten, vergewaltigt wurden. Aber am Ende zählte nur eins: Daniel E. Murray hatte vor dreißig Jahren die FBI-Akademie in Quantico, Virginia, absolviert, hatte seine rechte Hand gehoben und Gott einen Eid geschworen. Es gab natürlich Grauzonen, es würde immer Grauzonen geben. Ein guter Beamter mußte nach klugem Ermessen handeln, er mußte wissen, welche Gesetze gebeugt werden konnten und wie weit. Doch so weit durfte es nicht gehen, und nicht mit diesem Gesetz. Bill Shaw war aus demselben Holz geschnitzt. Das Schicksal hatte ihm eine Position verliehen, die so unpolitisch war, wie eine Position in Washington, D.C., nur sein konnte. Shaws Ansehen beruhte auf seiner Unbestechlichkeit, und er war zu alt, um sich noch zu ändern. Ein Fall wie dieser würde in seinem Amtszimmer im sechsten Stock in Gang gebracht werden.
»Ich muß Sie fragen: Halten Sie die Sache für echt?«
»Nach meiner ganzen fachlichen Erfahrung kann ich sagen, daß meine Patientin in allen Einzelheiten die Wahrheit sagt.«
»Ist sie bereit, als Zeugin auszusagen?«
»Ja.«
»Und wie beurteilen Sie den Brief?«
»Ebenfalls vollkommen glaubwürdig, psychologisch gesehen.« Murray wußte das schon aufgrund seiner eigenen Erfahrung, aber trotzdem brauchte man - zunächst er, dann andere Agenten und am Ende eine Jury - das Urteil eines Profis.
»Was jetzt?« fragte die Psychologin.
Murray stand auf, zur Überraschung und Enttäuschung des Kellners. »Jetzt fahren wir in die Zentrale und besprechen die Sache mit Bill. Ermittlungsbeamte werden ein Dossier erstellen. Bill und ich und ein Ermittlungsbeamter werden zum Ministerium hinübergehen und uns mit dem Justizminister besprechen. Wie es dann weitergeht, entzieht sich meiner Kenntnis. Einen solchen Fall hatten wir noch nie, jedenfalls nicht seit Anfang der siebziger Jahre, und ich bin mir noch im unklaren über den Gang des Verfahrens. Was Ihre Patientin betrifft, verfahren wir wie üblich. Lange, eingehende Vernehmungen. Wir werden mit den Angehörigen und Freunden von Ms. Beringer sprechen, ob es Papiere oder Tagebücher gibt. Aber das ist das Technische. Heikel wird es mit dem politischen Aspekt.« Und deshalb, das war Dan klar, würde er für den Fall zuständig sein. Wieder fluchte er im stillen, als er an den Verfassungsartikel dachte, nach dem das ganze Verfahren ablaufen würde. Dr. Golden las die Unschlüssigkeit an seinem Blick ab und deutete sie falsch, was bei ihr selten vorkam.
»Meine Patientin braucht ...«
Murray blickte verständnislos drein. Na und, dachte er, ein Verbrechen ist es trotzdem.
»Ich weiß, Clarke. Sie braucht Gerechtigkeit. Auch Lisa Beringer braucht sie. Und wissen Sie was? Die Regierung der Vereinigten Staaten braucht sie ebenfalls.«
    Er sah nicht nach einem Computersoftware-Ingenieur aus. Er war überhaupt nicht schmuddelig. Er trug einen Nadelstreifenanzug und hatte eine Aktentasche bei sich. Er hätte sagen können, daß seine Kundschaft und die professionelle Atmosphäre der Umgebung eine solche Verkleidung von ihm verlangten. Es war aber schlicht so, daß er lieber adrett gekleidet ging.
    Das Verfahren war denkbar einfach. Der Kunde benutzte StratusMainframes, kompakte, leistungsfähige Maschinen, die sich leicht vernetzen ließen - tatsächlich waren sie wegen ihres vertretbaren Preises und der hohen elektronischen Zuverlässigkeit die von vielen Mitteilungsdiensten bevorzugte Plattform. Drei davon standen im Raum. »Alpha« und »Beta« - die Namen waren mit weißen Lettern auf blauen Plastikschildern angebracht -waren die primären Server; sie machten täglich die Hauptarbeit, wobei jeweils einer die Backup-Sicherung übernahm. Die dritte Maschine, »Zulu«, war der Notfall-Backup, und wann immer »Zulu« in Aktion war, wußte man, daß ein Serviceteam entweder schon da oder unterwegs war. Eine andere Anlage, die in jeder Hinsicht identisch war, abgesehen von den Menschen, die an ihr arbeiteten, stand jenseits des East River, an einem anderen physischen Standort, mit einer anderen Stromversorgung, anderen Telefonleitungen und anderen Satellitenverbindungen. Beide Gebäude waren Hochhäuser aus feuerfestem Material, mit einer automatischen Sprinkleranlage um den Computerraum herum, in dem sich ein DuPont-1301-System befand, das ein Feuer in Sekunden ersticken konnte. Beide Dreiersysteme hatten eine Akkureserve, mit der sie zwölf Stunden weiterarbeiten konnten.

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