08 - Ehrenschuld
Geräusch
wiedererkennen, das Rauschen von fließendem Wasser oder vielleicht von einer Bohnermaschine, eigentlich nur ein digitales Zischen von zwei elektronischen Geräten, die versuchten, Kontakt miteinander herzustellen, damit Daten ausgetauscht werden konnten. Manchmal dauerte es ein paar Sekunden, manchmal sogar fünf bis zehn. Bei diesen Modellen dauerte es nur eine, und das restliche Zischen war in Wirklichkeit der scheinbar zufällige Digitalcode von neunzehntausendzweihundert Zeichen, die das Glasfaserkabel pro Sekunde durchliefen - zuerst in die eine Richtung, dann in die andere. Wenn die geheime Nachricht beendet war, wurde die offizielle Verbindung hergestellt, und der Mann am anderen Ende schickte seinen täglichen Artikel. Um ganz sicher zu gehen, würden die Russen ihn am nächsten Tag in zwei Zeitungen erscheinen lassen, in beiden Fällen auf Seite drei. Warum sollte man ein Risiko eingehen?
Dann kam der schwierige Teil für den Stationsleiter. Laut Befehl hatte er zwei Exemplare des Berichts auszudrucken, davon eins für den RWSMann. War Mary Pat in den Wechseljahren oder so was?
»Sein Russisch ist sehr literarisch, fast klassisch. Wer hat ihm unsere
Sprache beigebracht?«
»Ich weiß es wirklich nicht«, log der Stationsleiter, erfolgreich, wie sich
herausstellte. Das dumme war, der Russe hatte recht. Er runzelte die Stirn. »Soll ich bei der Übersetzung helfen?«
Mist. Er lächelte. »Klar, warum nicht?«
Ganze fünf Stunden Schlaf, grummelte Jack und hob das Autotelefon mit der Geheimleitung ab. Wenigstens brauchte er nicht selbst zu lenken. »Ryan.«
»Hier Mary Pat. Wir haben was. Es liegt auf Ihrem Schreibtisch, wenn
Sie da sind.«
»Wie gut?«
»Es ist ein Anfang«, sagte die DDO. Sie war sehr sparsam mit Worten.
Niemand traute Funkverbindungen wirklich, ob geheim oder nicht.
»Hallo, Dr. Ryan. Ich bin Andrea Price.« Die Agentin hatte bereits einen Laborkittel an und trug am Aufschlag ihren Ausweis, den sie jetzt hochhielt. »Mein Onkel ist praktischer Arzt in Wisconsin. Ich glaube, das würde ihm gefallen.« Sie lächelte.
»Muß ich mir wegen irgendwas Sorgen machen?«
»Ich denke nicht«, sagte Andrea Price und lächelte weiterhin.
Geschützte Personen mochten keine besorgten Leibwächter, wie sie wußte. »Was ist mit meinen Kindern?«
»Zwei Agenten sind vor ihrer Schule postiert, und einer in dem Haus
gegenüber dem Kindergarten von Ihrem Jüngsten«, erklärte die Agentin. »Machen Sie sich bitte keine Sorgen. Wir werden dafür bezahlt, Verfolgungswahn zu haben, und wir irren uns fast immer, aber es ist wie in Ihrem Beruf. Man geht immer besser auf Nummer Sicher, nicht wahr?« »Und meine Besucher?« fragte Cathy.
»Darf ich etwas vorschlagen?«
»Ja.«
»Besorgen Sie ihnen Johns-Hopkins-Laborkittel, als wären es Souvenirs.
Ich behalte sie im Auge, wenn sie sich umziehen.« Ganz schön clever, dachte Cathy Ryan.
»Tragen Sie eine Waffe?«
»Immer«, bestätigte Andrea Price. »Obwohl ich sie noch nie benutzen mußte, nicht mal bei einer Festnahme. Ignorieren Sie mich einfach wie eine Fliege an der Wand.«
Dabei bist du eher ein Falke, dachte Professor Ryan, aber wenigstens ein zahmer.
»Wie sollen wir das anstellen, John?« fragte Chavez auf englisch. Die
Dusche lief. Ding saß auf dem Boden und John auf der Toilette. »Na, wir haben sie doch schon gesehen, oder?« betonte sein Partner. »Ja, in der Scheißfabrik.«
»Tja, wir müssen nur rausfinden, wo sie hingeschickt worden sind.« Auf
den ersten Blick war diese Aussage ganz vernünftig. Sie brauchten bloß herauszukriegen, wie viele Raketen und wo, ach ja, und ob sie wirklich Atombomben trugen oder nicht. Kein Problem. Sie wußten bloß, daß es sich um eine neue, verbesserte Version der SS-19 handelte und daß die Raketen die Fabrik auf der Schiene verlassen hatten. Natürlich hatte das Land achtundzwanzigtausend Kilometer Bahnstrecke. Sie würden eben warten müssen. Geheimdienstler hatten oft Arbeitszeiten wie Bankangestellte, und dies war ein solcher Fall. Clark entschied sich zu duschen, bevor er ins Bett ging. Er wußte noch nicht, was er tun oder wie er es anpacken sollte, aber sich den Kopf zu zermartern würde ihm auch nicht weiterhelfen. Er hatte schon lange gelernt, daß er besser arbeitete, wenn er volle acht Stunden geschlafen hatte, und ab und zu kam ihm auch unter der Dusche eine gute Idee. Früher oder später würde Ding diese Tricks vielleicht auch lernen, dachte er, als er den Gesichtsausdruck
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