08 - Ehrenschuld
abwesend, da er mit Außenminister Hanson zusammen war. Zwei hohe Offiziere von der Aufklärung waren da, vier Leute vom Außenministerium, und alle schauten ebenso ratlos drein wie er selbst, dachte Ryan.
»Sie sind wütend, und sie haben Angst.« Das war Chris Cook, einer der Wirtschaftsexperten aus dem Außenministerium. Er war zweimal an der Botschaft in Tokio gewesen, konnte die Sprache ganz gut und hatte an mehreren Runden der Handelsverhandlungen teilgenommen, immer in der zweiten Reihe hinter den Ranghöheren, aber meistens der, der die Arbeit machte. So liefen die Dinge eben, und Jack erinnerte sich, wie ungerecht er es gefunden hatte, wenn manchmal andere das Lob für seine Ideen geerntet hatten. Er nickte zu dem Kommentar, sah die anderen dasselbe tun und war dankbar, daß jemand die Initiative ergriffen hatte.
»Ich weiß, warum sie wütend sind. Sagen Sie mir, warum sie Angst haben.«
»Na, sie haben immer noch die Russen in der Nähe und die Chinesen, beides Großmächte, aber wir haben uns aus dem Westpazifik zurückgezogen, nicht? Ihrer Meinung nach läßt sie das allein im Regen stehen - und jetzt sieht es so aus, als hätten wir uns gegen sie gestellt. Das macht auch uns zu potentiellen Feinden. Was bleibt ihnen dann? Welche echten Freunde haben sie noch?«
»Warum wollen sie die Marianen?« fragte Jack und erinnerte sich daran, daß Japan von keinem der aufgezählten Länder in der jüngeren Geschichte angegriffen worden war, daß es selbst aber alle drei angegriffen hatte. Cook hatte, vielleicht ohne es zu wollen, etwas Wichtiges ausgesprochen. Wie reagierte Japan auf Bedrohung von außen? Indem es zuerst angriff.
»Stützpunkte außerhalb des Mutterlands geben ihnen mehr Raum zur Verteidigung.«
Okay, das ist logisch, dachte Jack. Satellitenfotos, kaum eine Stunde alt, hingen an der Wand. Auf den Flugplätzen auf Saipan und Guam waren jetzt Kampfflugzeuge und E-2C-Hawkeye-Aufklärer desselben Typs stationiert, der von den amerikanischen Flugzeugträgern aus operierte. Das schuf fast zwölfhundert Meilen südlich von Tokio einen Verteidigungsriegel. Man konnte ihn als mächtigen Wall gegen amerikanische Angriffe sehen, und im Grunde war es eine Sparversion der japanischen Strategie im Zweiten Weltkrieg. Wieder hatte Cook eine sinnvolle Beobachtung gemacht.
»Aber sind wir wirklich eine Bedrohung für sie?« fragte er.
»Jetzt bestimmt«, antwortete Cook.
»Weil sie uns dazu gezwungen haben«, knurrte einer der Aufklärungsleute und schaltete sich in die Diskussion ein. Cook lehnte sich über den Tisch zu ihm.
»Warum fangen Leute Krieg an? Weil sie vor etwas Angst haben! Mein Gott, die haben in den letzten fünf Jahren mehr Regierungswechsel gehabt als die Italiener. Das Land ist politisch instabil. Sie hatten echte wirtschaftliche Probleme. Bis vor kurzem stand ihre Währung unter Druck. Ihr Aktienmarkt ist wegen unserer Handelsgesetze den Bach runtergegangen, wir haben sie mit finanziellem Ruin bedroht, und Sie fragen, warum sie Angst kriegen? Wenn uns so was passieren würde, was würden wir tun?« fragte der Ministerialdirektor vom Außenministerium, was den Offizier eher einschüchterte, wie Ryan sah.
Gut, dachte er. Eine lebhafte Diskussion war immer gut, so wie das heißeste Feuer den härtesten Stahl produzierte.
»Meine Sympathie für die andere Seite ist angesichts der Tatsache, daß sie US-Territorium besetzt und die Rechte von amerikanischen Bürgern verletzt hat, begrenzt.«
Ryan fand diese Antwort auf Cooks Rede etwas unernst. Cooks Reaktion war die eines Leithunds, der auf der Fährte eines verwundeten Fuchses ist und zur Abwechslung einmal selbst das Wild irreführt. Immer ein gutes Gefühl.
»Und wir haben bereits ein paar hunderttausend ihrer Arbeitsplätze zerstört. Was ist mit ihren Rechten?«
»Scheiß auf ihre Rechte! Auf welcher Seite stehen Sie, Cook?«
Der Ministerialdirektor lehnte sich in seinen Stuhl zurück und lächelte, während er zum endgültigen Schlag ausholte. »Ich dachte, ich sollte erzählen, was sie denken. Sind wir deswegen nicht hier? Was sie denken, ist, daß wir sie rumgeschubst, geprügelt und ihnen allgemein deutlich gemacht haben, daß wir sie dulden, aber nicht respektieren, und das schon seit der Zeit, bevor ich geboren wurde. Wir haben sie nie als gleichwertig anerkannt, und sie glauben, sie haben was Besseres von uns verdient, und mögen das nicht. Und wissen Sie was«, fuhr Cook fort, »ich kann ihnen diese Gefühle nicht übelnehmen. Okay,
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