08 - Ehrenschuld
eine Woche. Aber wir haben keine Woche. Heute
nachmittag haben wir ein Treffen mit den Spitzen aller großen
Finanzhäuser. Wir werden versuchen ...«
Das Problem ist, es gibt keine Unterlagen, dachte Ryan. Alles steht still,
weil es keine Unterlagen gibt, die den Leuten sagen, was sie besitzen,
wieviel Geld sie ...
»Europa ist genauso gelähmt ...«, sagte Fiedler jetzt, während Ryan auf
den Teppich starrte. Dann blickte er auf.
»Wenn man es nicht aufschreibt, ist es nie passiert.« Die Unterhaltung
im Raum stoppte, und Jack sah, daß er genausogut hätte sagen können:
»Der Bleistift ist rot«.
»Was?« fragte der Fed-Vorsitzende.
»Das ist, was meine Frau immer sagt: >Wenn man es nicht aufschreibt,
ist es nie passiert.<« Er schaute die anderen an. Sie verstanden es immer
noch nicht. Was nicht sehr überraschend war, da er es selbst noch nicht zu
Ende gedacht hatte. »Sie ist auch Ärztin, George, an Johns Hopkins, und sie
hat immer so ein kleines rotes Notizbuch bei sich und bleibt ständig stehen,
um was aufzuschreiben, weil sie sich nicht auf ihr Gedächtnis verläßt.« »Mein Bruder ist genauso. Er hat eins dieser elektronischen Dinger«,
sagte Winston. »Machen Sie weiter.«
»Es gibt keine Unterlagen, keine wirklich offiziellen Unterlagen über
irgendeine Transaktion, oder?« fuhr Jack fort. Fiedler übernahm die
Antwort.
»Nein. Die Depository Trust Company ist wirklich abgestürzt. Und wie
ich gerade sagte, wir brauchen etwa ...«
»Vergessen Sie's. Wir haben die Zeit nicht, oder?«
Das deprimierte den Finanzminister erneut. »Nein, wir können es nicht
aufhalten.«
»Klar können wir.« Ryan schaute zu Winston. »Oder etwa nicht?« Präsident Durling hatte den Dialog wie ein Zuschauer auf einem
Tennisplatz verfolgt, und der Streß hatte ihn gereizt gemacht. »Wovon zum
Teufel reden Sie?«
Ryan hatte es jetzt fast gefunden. Er wandte sich zum Präsidenten. »Sir,
es ist ganz einfach. Wir sagen, es sei nie geschehen. Wir sagen, daß die
Börsen am Freitag nach zwölf Uhr einfach die Arbeit einstellten. Können
wir damit durchkommen?« fragte Jack. Er gab jedoch niemandem die
Gelegenheit zu antworten. »Warum nicht? Warum sollen wir nicht damit
durchkommen? Es gibt keine Unterlagen, um nachzuweisen, daß es nicht so
ist. Niemand kann eine einzige Transaktion nach zwölf Uhr nachweisen,
oder?«
Winston nahm den Gedanken blitzschnell auf. »Bei den Summen, die
alle verloren haben, wird es gar nicht so unattraktiv aussehen. Sie sagen, wir
fangen ... vielleicht Freitag, Freitag mittag wieder an ... wir streichen
einfach die dazwischenliegende Woche, stimmt's?«
»Aber niemand wird es glauben«, bemerkte der Fed-Vorsitzende. »Falsch.« Winston schüttelte den Kopf. »Ryans Idee ist gut. Erstens,
man wird es glauben müssen. Man kann keine legale Transaktion ohne
schriftliche Unterlagen durchführen. Also kann niemand beweisen, daß er
irgendwas getan hat, außer auf die Wiederherstellung der Unterlagen von
der DTC zu warten. Zweitens haben die meisten Leute alles verloren,
Banken, Institutionen, alle, und sie werden alle eine zweite Chance wollen.
Und ob sie es glauben werden, Mann. Mark?«
»In eine Zeitmaschine klettern und den Freitag wiederholen?« Gants
Lachen war zunächst verbissen. Dann veränderte es sich. »Wo steigen wir
wieder ein?«
»Wir können das nicht überall machen, nicht bei allen Sparten«, wandte
der Fed-Vorsitzende ein.
»Nein, können wir nicht«, stimmte Winston zu. »Der internationale
Handel mit US-Schatzwechsel lag außerhalb unserer Kontrolle. Aber was
wir tun können, ist, eine Konferenz mit den europäischen Banken
einzuberufen, ihnen zeigen, was passiert ist, und dann mit ihnen
zusammen ...«
Jetzt war Fiedler dran: »Genau! Sie stoßen Yen ab und kaufen Dollar. Unsere Währung gewinnt wieder ihren Wert zurück und die der Japaner fällt. Dann werden die anderen asiatischen Banken darüber nachdenken, wieder umzuschwenken. Ich glaube, die europäischen Zentralbanken
werden mitspielen.«
»Sie müssen den Diskontsatz hochhalten«, sagte Winston. »Das wird
uns ein bißchen wehtun, aber es ist der Himmel im Vergleich zu allem
anderen. Sie halten den Satz hoch, so daß die Leute aufhören, USSchatzwechsel abzustoßen. Wir müssen eine Bewegung vom Yen weg
inszenieren, genau so, wie sie es bei uns gemacht haben. Den Europäern
wird es gefallen, weil die Japaner dann nicht unbeschränkt ihre Aktien
aufkaufen können, so wie sie es gestern gemacht haben.« Winston stand auf
und
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