08 - Ehrenschuld
Diplomat, in der unangenehmsten aller diplomatischen Positionen - er war gezwungen, seine Regierung zu vertreten, ohne etwas anderes zu haben als seine Geistesgegenwart und sein Wissen. Adler führte ihn zu seinem Platz und kehrte dann auf seine Seite des Tisches zurück. Da diesmal Amerika der Gastgeber war, hatte Japan zuerst das Wort. Adler hatte mit dem Außenminister auf die Eröffnung des Botschafters gewettet.
»Zuallererst protestiert meine Regierung in der schärfsten Form gegen den von den Vereinigten Staaten geplanten Angriff auf unsere Währung ...«
Sie schulden mir zehn Piepen, Herr Außenminister, dachte Adler mit unbewegtem Gesicht.
»Herr Botschafter«, antwortete er, »das könnten genausogut wir sagen. Hier sind die Erkenntnisse, die wir über die Vorgänge von letzter Woche gesammelt haben.« Ordner wurden auf den Tisch gelegt und den japanischen Diplomaten herübergeschoben. »Ich muß Ihnen mitteilen, daß wir im Augenblick eine Untersuchung durchführen, die eine Anklage gegen Raizo Yamata wegen Anlagebetrugs nach sich ziehen könnte.«
Das war ein kühner Schachzug. Er enthüllte alles, was die Amerikaner über die Attacke auf die Wall Street wußten, und deutete die noch nicht geklärten Punkte an. Das konnte die Anklage gegen Raizo Yamata und seine Komplizen ruinieren, falls es dazu kommen sollte. Aber das war eine Nebensache. Adler mußte einen Krieg beenden, und zwar schnell. Über den Rest sollte sich das Justizministerium den Kopf zerbrechen.
»Es wäre natürlich besser, wenn sich Ihr Land mit diesem Mann und seinen Handlungen befassen würde«, führte Adler als nächstes an und gab dem Botschafter und seiner Regierung damit großzügigen Bewegungsspielraum. »Das Endergebnis seiner Handlungen wird größerer Schaden für Ihr Land als für uns sein, wie sich heute herausstellen wird. Und jetzt lassen Sie uns zum Thema Marianen zurückkehren.«
Diese Links-rechts-Kombination machte die japanische Delegation sprachlos, wie zu erwarten war. Wie so oft, blieb fast alles ungesagt: Wir wissen, was ihr getan habt. Wir wissen, wie ihr es getan habt. Wir werden damit fertig werden. Die brutal direkte Methode sollte Amerikas echtes Problem verdecken - seine Unfähigkeit zu einer sofortigen militärischen Reaktion -, aber sie sollte der japanischen Regierung auch die Chance eröffnen, sich von den Handlungen einiger ihrer Bürger zu distanzieren. Und das war das beste Mittel, die Situation schnell und sauber zu beenden, wie Ryan und Adler letzte Nacht beschlossen hatten. Zu diesem Zweck mußte man einen starken Anreiz bieten.
»Die Vereinigten Staaten streben nicht mehr als eine Normalisierung der Beziehungen an. Die sofortige Räumung der Marianen würde es uns erlauben, den Trade Reform Act großzügiger zu interpretieren. Wir sind bereit, auch dies in die Verhandlungen miteinzubringen.« Es war vermutlich ein Fehler, ihn mit so viel auf einmal zu konfrontieren, dachte Adler, aber die Alternative war weiteres Blutvergießen. Bis zum Ende der ersten förmlichen Verhandlungsrunde war etwas Bemerkenswertes passiert. Keine Seite hatte ihren Standpunkt wiederholt. In diplomatischer Hinsicht war es eher ein freier Austausch von Meinungen gewesen, nur wenige davon gut überlegt.
»Chris«, flüsterte Adler, als sie aufstanden. »Finden Sie raus, was sie wirklich denken.«
»Okay«, antwortete Cook. Er holte sich einen Kaffee und ging auf die Terrasse hinaus, an deren Rand Nagumo stand.
»Es ist ein eleganter Ausweg, Seiji«, begann Cook.
»Ihr bedrängt uns zu sehr«, sagte Nagumo, ohne sich umzudrehen.
»Wenn ihr die Sache beenden wollt, ohne daß Menschen zu Schaden kommen, ist das die beste Chance.«
»Für euch vielleicht. Was ist mit unseren Interessen?«
»Wir werden uns beim Handel einigen.« Cook verstand das Ganze nicht. Finanziell nicht vorgebildet, hatte er noch nicht gemerkt, was an dieser Front vor sich ging. Für ihn war die Erholung des Dollar und der Schutz der amerikanischen Wirtschaft ein isoliertes Geschehen. Nagumo wußte es besser. Der Angriff, den sein Land begonnen hatte, konnte nur durch einen Gegenangriff ausgeglichen werden. Das Resultat würde nicht die Wiederherstellung des Status quo sein, sondern schwerer Schaden für die Wirtschaft seines Landes, zusätzlich zu dem Schaden durch den Trade Reform Act. Damit wußte Nagumo etwas, das Cook nicht wußte: Wenn Amerika Japan nicht gewisse territoriale Gewinne zugestand, war der Krieg unvermeidlich.
»Wir brauchen Zeit,
Weitere Kostenlose Bücher