08 - Ehrenschuld
höherrangigen Offiziere waren alle von den Amerikanern ausgebildet; sie hatten die Situation analysiert und verkündeten jedem, der ihnen zuhörte, daß sie diese zeitlich begrenzte Auseinandersetzung zu ihren Gunsten entscheiden konnten und würden. Außerdem, ergänzte der stellvertretende EDOS-Direktor, rechneten sie sich beste Chancen aus, Sibirien zu erobern.
Diese Lagebeurteilung und der Bericht der beiden CIA-Offiziere wurden sofort an Moskau weitergegeben. Es gab also in der japanischen Regierung Meinungsverschiedenheiten, und wenigstens in einem Ministerium war der Sinn für die Realität noch nicht ganz verlorengegangen. Das war einerseits beruhigend für den Russen, andererseits erinnerte er sich aber auch an einen Leiter des deutschen Abwehrdienstes namens Canaris, der 1939 etwas Ähnliches versucht hatte und dabei gänzlich gescheitert war. Mit dieser Tradition wollte er brechen. Der Trick beim Verhindern von Kriegen war, daß man sie nicht groß werden lassen durfte. Scherenko hielt nichts von der Theorie, daß Diplomatie einen Krieg verhindern konnte, aber er glaubte, daß ein guter Geheimdienst und entschlossenes Handeln ihn in Grenzen halten konnten wenn von politischer Seite der Wille zu angemessenen Aktionen da war. Es beunruhigte ihn allerdings, daß es Amerikaner waren, die diesen Willen aufbringen mußten.
»Wir nennen es Operation ZORRO , Mr. President«, sagte Robby Jackson. Er klappte das Deckblatt der ersten Übersichtskarte nach hinten. Im Konferenzraum hielten sich außerdem der Außenminister, der Verteidigungsminister, Ryan und Arnie van Damm auf. Die beiden Kabinettsmitglieder fühlten sich gerade ausgesprochen unwohl, aber dem Stellvertretenden J-3 ging es nicht besser. Ryan nickte ihm zu, fortzufahren.
»Die Aufgabe besteht darin, die Kommandostruktur der anderen Seite zu zerrütten, indem wir genau die Personen ins Auge fassen, die -« »Sie umbringen, meinen Sie?« fragte Brett Hanson. Er sah den
Verteidigungsminister an, der überhaupt nicht reagierte.
»Herr Minister, wir möchten die Zivilbevölkerung nicht mit
hineinziehen. Das bedeutet, daß wir keine industriellen Ziele angreifen
können. Wir können in ihren Städten keine Brücken bombardieren. Ihre
militärischen Standorte sind zu dezentralisiert, um -«
»Das können wir nicht machen«, unterbrach Hanson ihn wieder. »Herr Minister«, sagte Ryan kühl. »Können wir uns den Plan
wenigstens anhören, bevor wir uns entscheiden?«
Hanson nickte mürrisch, und Jackson fuhr mit seinem Bericht fort. »Die
Ausgangsbedingungen sind im wesentlichen bereits geschaffen. Wir haben
zwei ihrer Flugüberwachungsmöglichkeiten ausgeschaltet -«
»Wann? Wie?«
»Gestern abend, Sir«, antwortete Ryan. »Das Wie sollte uns vorläufig
nicht kümmern.«
»Wer hat das angeordnet?« wollte Präsident Durling wissen. »Ich, Sir. Die Aktion war gut getarnt und verlief ohne Zwischenfall.«
Durlings Augen sagten, daß Ryan wieder dabei war, seine Grenzen zu
überschreiten.
»Wie viele Leute sind dabei umgekommen?« fragte der Außenminister. »Etwa fünfzig, und das sind ungefähr zweihundert weniger, als sie von
unseren Leuten getötet haben, Herr Minister.«
»Hören Sie, wenn wir genug Zeit haben, können wir ihnen die Inseln
wieder ausreden«, sagte der Minister. Die Auseinandersetzung spielte sich
jetzt zwischen den beiden ab; die anderen sahen zu.
»Adler glaubt nicht daran.«
»Aber Chris Cook glaubt es, und er bekommt Informationen von ihrer
Delegation.«
Durling spielte den Beobachter und ließ seine Mitarbeiter - das waren
sie für ihn - den Konflikt austragen. Für ihn waren andere Fragen wichtig.
Die Politik würde ihr häßliches Haupt wieder erheben. Wenn er diese
Probleme nicht meisterte, war er draußen.
Ein anderer würde Präsident werden, und dieser andere würde spätestens
in einem Jahr mit einer größeren Krise konfrontiert werden. Schlimmer
noch: Wenn die russischen Geheimdienstberichte zutrafen und Japan und
China im nächsten Herbst Sibirien besetzten, würde sich eine noch viel
größere Krise durch eine ganze amerikanische Wahlperiode ziehen, alles zu
einer politischen Frage machen und die Handlungsfähigkeit des ganzen
Landes behindern, das sich noch nicht von einem Hundert-Milliarden-Loch
in der Handelsbilanz erholt hatte.
»Wenn wir jetzt nicht handeln, Herr Minister, können wir nicht absehen,
wohin das noch führt«, sagte Ryan gerade.
»Wir können eine diplomatische Lösung finden«, beharrte Hanson. »Und
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