08 Geweihte des Todes - Adrian Lara
seine freie Hand und legte sie auf ihre Finger. Dann näherte er sich ihr von vorne.
Sie wich nicht vor ihm zurück. So eine war Jenna nicht. Sie starrte ihm direkt in die Augen, stand ihm genau gegenüber, ganz so, wie er es sich hätte denken können. „Ich weiß wirklich nicht, wie ich damit umgehen soll“, sagte sie leise. „Was seit dieser Nacht in Alaska mit mir passiert ist … all die Fragen, auf die es vielleicht nie eine Antwort gibt, damit komme ich klar. Irgendwie werde ich schon lernen, damit klarzukommen. Aber du … das …“ Dann sah sie hinunter, starrte kurz auf ihre aufeinanderliegenden Hände, ihre verschlungenen Finger. „Ich bin nicht so gut bei so was. Mein Mann ist seit vier Jahren tot, und seither gab es niemanden. Ich war nicht bereit dazu. Ich habe nicht gewollt …“
„Jenna“, sagte Brock, streichelte sehr sanft die Unterseite ihres Kinns und hob es an, bis sie ihm in die Augen sah. „Darf ich dich küssen?“
Ihre Lippen verzogen sich zu einem zitternden kleinen Lächeln, und er konnte nicht länger widerstehen. Er senkte den Kopf und küsste sie langsam und behutsam, obwohl sein Verlangen ihn fast wahnsinnig machte.
Sie hatte ihm eben gestanden, dass sie aus der Übung war, aber er hätte es nie gemerkt, so sinnlich, wie sich ihre Lippen auf seinen anfühlten. Sie küsste ihn weich und doch direkt, gebend und nehmend, und steckte ihn lichterloh in Brand. Er trat näher zu ihr, bis er zwischen ihren Beinen stand, musste ihren Körper dicht an seinem spüren, als er seine Zunge zwischen ihre samtigen Lippen schob. Er fuhr ihr mit den Händen über die Hüften und half ihr auf den Konferenztisch, als ihr verletzter Schenkel unter ihr zu zittern begann.
Der Kuss war ein Fehler gewesen. Er hatte nämlich gedacht, dass er es dabei belassen könnte – bei nur einem Kuss –, aber jetzt, als er und Jenna ernsthaft in Fahrt kamen, wusste er nicht, woher er die Kraft nehmen sollte, wieder aufzuhören.
Und angesichts dessen, wie sie sich in seinen Armen anfühlte, angesichts ihres lustvollen Stöhnens und ihrer gebrochenen Seufzer, als ihr Kuss zu etwas viel Intensiverem aufflammte, war er sicher, dass auch sie mehr von ihm wollte.
Aber offensichtlich lag er voll daneben.
Erst als er die Feuchtigkeit auf seinem Gesicht spürte, erkannte er, dass sie weinte.
„Um Gottes willen“, zischte er, zog sich sofort zurück und kam sich beim Anblick ihrer tränennassen Wangen wie ein Idiot vor. „Tut mir leid. Wenn ich eben zu heftig war …“
Sie schüttelte kläglich den Kopf, sagte aber nichts.
„Sag mir, dass ich dir nicht wehgetan hab, Jenna.“
„Verdammt!“ Sie unterdrückte ein gebrochenes Schluchzen. „Ich kann das nicht. Tut mir leid, es ist meine Schuld. Ich hätte dich nie …“
Sie verstummte, und dann stieß sie ihn von sich, krabbelte unter ihm hervor und rannte auf den Korridor hinaus.
Brock stand eine Sekunde da, am ganzen Körper angespannt und wund vor Begehren. Er sollte sie gehen lassen. Das Ganze als knapp abgewendete Katastrophe verbuchen und sich die Verlockung namens Jenna Darrow aus dem Kopf schlagen.
Genau das sollte er tun, und das wusste er auch verdammt gut.
Aber bis sich dieser Gedanke gebildet hatte, hatte er schon den halben Korridor hinter sich gelassen und folgte dem Geräusch von Jennas leisem Weinen zurück zu seinem ehemaligen Quartier.
13
Jenna kam sich wie ein Riesenfeigling vor – wie eine üble Betrügerin, als sie über den Korridor floh und mit den Tränen kämpfte. Sie hatte Brock denken lassen, dass sie ihn nicht wollte. Ihm wahrscheinlich das Gefühl gegeben, dass er sich ihr mit diesem Kuss aufgedrängt hatte, wo sie doch auf dem Konferenztisch vor Lust fast zu einer Pfütze zerflossen wäre. Sie hatte ihm das Gefühl gegeben, dass er etwas falsch gemacht, sie womöglich sogar irgendwie verletzt hatte, und das war das Unfairste überhaupt.
Und doch musste sie vor ihm davonlaufen, musste Distanz zwischen sie beide bringen, mit einer Entschlossenheit, die an Verzweiflung grenzte. Er weckte einfach zu viele Gefühle in ihr. Gefühle, auf die sie nicht vorbereitet war. Gefühle, nach denen sie sich zutiefst sehnte, die sie aber nicht verdiente.
Und so rannte sie vor ihm davon, so verängstigt wie noch nie in ihrem Leben, und hasste sich für ihre Feigheit, die sie bei jedem Schritt antrieb. Als sie an ihrem Quartier ankam, zitterte sie und war außer Atem, und die Tränen liefen ihr heiß die Wangen
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