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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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dieser Welt zurechtkommen müssen. Was half es dem Jungen, wenn man ihm gestattete, ständig zu vermeiden, womit er sich dringend auseinandersetzen mußte?
    Luxford hatte den idealen Zeitpunkt für das Gespräch gewählt. Sie saßen alle drei glücklich vereint im Speisezimmer beim Abendessen. Es gab Leos Lieblingsgericht, Curryhuhn, und der Junge hatte mit herzhaftem Appetit zugelangt und dabei von einer BBC-Sendung über Haselmäuse erzählt, zu der er sich offenbar ausführliche Notizen gemacht hatte. Er hatte gesagt: »Meinst du, wir könnten ihnen im Garten ein Plätzchen machen, Mama? Eigentlich hausen sie am liebsten in alten Gebäuden, weißt du, in Dachböden und Mauerritzen. Aber sie sind so süß, und wenn wir ihnen eine richtige Behausung machen, dann sind sie vielleicht in ein, zwei Jahren -«
    An dieser Stelle fand Luxford es an der Zeit, ein für allemal klarzustellen, wo Leo in den ein, zwei Jahren, von denen er sprach, zu Hause sein würde.
    »Ich hatte keine Ahnung, daß du dich für die Naturwissenschaften interessierst, Leo«, warf er wohlwollend ein. »Hast du schon mal an Tiermedizin gedacht?«
    Leos Mund formte lautlos das Wort Tiermedizin. Fiona sah ihren Mann an. Luxford beschloß, die Drohung in ihrem Blick zu ignorieren, und plauderte munter weiter.
    »Tierarzt ist ein schöner Beruf. Aber er setzt natürlich eine gewisse Erfahrung im Umgang mit Tieren voraus. Und die wirst du reichlich haben - ach was, du wirst allen anderen Bewerbern weit überlegen sein -, wenn du erst mit dem Studium anfängst. In Baverstock gibt es nämlich einen sogenannten Modellbauernhof. Der wird dir gefallen. Habe ich dir schon davon erzählt?« Er ließ Leo keine Chance, ihm zu antworten. »Paß mal auf.« Und ohne Pause begann er seinen Monolog, ein Loblied auf die Freuden bäuerlichen Lebens. Tatsächlich wußte er kaum etwas über den Modellbauernhof der Schule, aber was er nicht wußte, erfand er schamlos: sonnige Nachmittage in grüner Hügellandschaft, übermütig tollende Lämmchen, weidende Kuhherden, die Aufzucht von Rindern und Pferden, das Verschneiden von Hengsten. Tiere in Mengen. Natürlich keine Mäuse, zumindest keine offiziellen. Aber in den Stallungen und Scheunen, vielleicht sogar in den Mansarden der Wohnheime würde man sicher hier und dort auf ein Mäuschen stoßen.
    Er schloß seinen Vortrag mit den Worten: »Der Bauernhof gehört nicht zum Unterricht, sondern zum Freizeitprogramm der Schule. Aber durch die Betätigung dort wirst du sehr viel mit Tieren zu tun haben, und vielleicht wird dir das den Weg zu deinem zukünftigen Beruf zeigen.«
    Während dieser Rede hatte Leo seinen Blick vom Gesicht seines Vaters zu seinem Milchglas gesenkt. Er fixierte das Glas und saß völlig reglos. Nur mit einem Fuß konnte Luxford ihn regelmäßig ans Stuhlbein schlagen hören. Plonk, plonk. Lauter und lauter. Leos starrer Blick, die rhythmischen Schläge mit dem Fuß und das beharrliche Schweigen waren Warnsignale. Und seinem Vater waren sie ein Quell des Zorns und der Erbitterung. Verdammt noch mal, dachte er. Andere Jungen gingen ohne einen Muckser aufs Internat. Sie packten ihre Siebensachen, steckten ein Freßpaket ein, nahmen sich ein Andenken an zu Hause mit und zogen los. Vielleicht mit Schmetterlingen im Bauch, aber nach außen hin forsch und mutig. Überzeugt, daß ihre Eltern am besten wußten, was gut für sie war, und vor allem ohne jedes Theater. Das, wie Luxford wußte, diese Warnsignale so klar ankündigten wie der Sonnenuntergang die Nacht.
    Er versuchte es mit der Kraft des positiven Denkens. »Überleg doch mal, wie viele neue Freunde du finden wirst, Leo«, sagte er.
    »Ich hab' Freunde«, sagte Leo in sein Milchglas.
    »Dann denk an die Verbindungen, die du knüpfen wirst. Sie halten ein Leben lang. Weißt du, wie viele alte Schulkameraden ich heute noch regelmäßig sehe? Hast du eine Ahnung, wie sehr sie sich gegenseitig in Beruf und Karriere helfen?«
    »Mama war auch nicht auf dem Internat. Mama ist zu Hause geblieben und dort in die Schule gegangen. Und Mama hat auch Karriere gemacht.«
    »Ja, natürlich. Eine große Karriere. Aber ...« Lieber Gott, der Junge dachte doch nicht etwa daran, Mannequin zu werden wie seine Mutter? Eine Karriere als Tänzer war schon schlimm genug, aber als Model? Wollte er vielleicht mit vorgeschobenem Becken und Hüftgewackel und offenem Hemd einen Laufsteg entlangstolzieren und seinen Körper wie eine Ware feilbieten? Undenkbar, diese Vorstellung!

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