08 - Im Angesicht des Feindes
älterer Junge ihm zeigt, was Sache ist, wenn Männer nackt beisammen sind, entsetzt zurückweichen und der Schreck ihm auf wunderbare Weise alle anomalen Neigungen austreiben wird?«
Er beobachtete sie. Sie beobachtete ihn. Er hätte gern gewußt, was sie ihm vom Gesicht ablesen konnte und ob sie ihm ansehen konnte, wie angespannt er war, wie alles Blut in seinem Körper plötzlich in seine Extremitäten schoß. Ihrem Gesicht konnte er nur ihr Bemühen entnehmen, ihn einzuschätzen.
»Ich würde meinen, du weißt aus deiner Lektüre, daß gewisse Dinge sich nicht unterdrücken lassen«, sagte er.
»Sexuelle Neigungen, meinst du? Natürlich nicht. Oder wenn sie sich unterdrücken lassen, dann höchstens auf unbestimmte Zeit. Aber das andere, das kann für immer zerstört werden.«
»Welches andere?«
»Der Künstler. Die Seele des Künstlers. Du tust dein Bestes, sie in Leo zu zerstören. Ich frage mich langsam, wann du deine verloren hast.«
Sie ging aus der Küche. Er hörte das Geräusch ihrer Ledersandalen, die leise auf den Holzboden tappten. Sie ging ins Wohnzimmer. Vom Küchenfenster aus konnte er sehen, wie drüben, im anderen Flügel des Hauses, das Licht anging. Noch während er hinsah, trat Fiona ans Fenster und zog die Vorhänge zu.
Er wandte sich ab und fand sich plötzlich im Angesicht seiner verstoßenen Träume. Ein Leben für die Literatur, so hatte er es vorgehabt. Ein Schriftsteller von Rang hatte er werden wollen, ein Pepys des zwanzigsten Jahrhunderts. Die Sprache hatte er zur Verfügung gehabt. Die Ideen waren ihm zugeflogen. Nacht für Nacht war er in ihrer Umarmung eingeschlafen. Dennis schreibt, und er schreibt verdammt gut, so hatte David St. James ihn letzte Woche vorgestellt. Und was war daraus geworden? Wohin hatte es ihn gebracht?
Es hatte ihn dazu gebracht, realistisch zu werden, für das tägliche Brot zu sorgen, sich ein Zuhause zu schaffen.
Es hatte ihn auch an die Macht gebracht, die süß schmeckte, doch das war von zweitrangiger Bedeutung. Vor allem hatte es ihn dazu gebracht, erwachsen zu werden. Wie jeder erwachsen wurde und erwachsen werden mußte, auch Leo.
Nein, das Gespräch mit Fiona war noch nicht beendet. Wenn sie unbedingt auf psychologische Analyse aus war, dann würde sie gegen eine nähere Betrachtung ihrer eigenen Motive in bezug auf ihren Sohn sicher nichts einzuwenden haben. Ihre Einstellung zu Leo konnte eine gründliche Untersuchung gebrauchen. Und ebenso die Tatsache, daß sie sich vor Leo und seine Wünsche und gegen die Lebenserfahrung ihres Mannes stellte.
Er beschloß, zu ihr zu gehen, und wappnete sich für ein weiteres Wortgefecht. Aus dem Wohnzimmer hörte er die Geräusche des Fernsehapparats. Er sah den flackernden Widerschein der wechselnden Bilder an der Wand. Er wurde langsamer. Seine Entschlossenheit, den Streit mit Fiona auszutragen, geriet ins Wanken. Sie mußte aufgewühlter sein, als er vermutet hatte. Fiona schaltete den Fernseher nur ein, wenn sie erregt war und sich beruhigen wollte.
Er ging zur Tür. Sie hockte mit angezogenen Knien in der Sofaecke, ein Kissen wie zum Trost auf ihren Bauch gedrückt. Sein Wunsch, es mit ihr auszufechten, flaute ab und verging ganz, als sie, ohne den Kopf zu wenden, sagte: »Ich möchte nicht, daß er ins Internat geht. Tu ihm das nicht an, Liebling. Es ist nicht recht.«
Auf dem Bildschirm sah er, daß gerade die Nachrichten liefen. Das Gesicht des Sprechers wich einer Luftaufnahme irgendeiner ländlichen Gegend. Der Bildschirm zeigte die Windungen eines Flusses, der von Brücken überspannt war, Felder, Autos, die auf einem Feldweg dahinrumpelten.
Luxford sagte: »Junge Menschen sind anpassungsfähig.« Er ging zum Sofa und blieb hinter ihm stehen. Er berührte Fionas Schulter. »Es ist ganz natürlich, daß du ihn bei dir behalten möchtest, Fi. Aber es ist nicht richtig, diesem Impuls nachzugeben, wenn es zu seinem Besten ist, neue Erfahrungen zu machen.«
»Er ist noch zu jung für neue Erfahrungen.«
»Ach, er kommt bestimmt gut zurecht.«
»Und wenn nicht?«
»Warum nehmen wir's nicht einfach, wie's kommt?«
»Ich habe Angst um ihn.«
»Du bist ja auch seine Mutter.« Luxford ging um das Sofa herum und setzte sich zu ihr. Er schob das Kissen weg und zog sie in seine Arme. Er küßte ihren Mund, der nach Zimt schmeckte. »Können wir ihm nicht in dieser Sache Einigkeit zeigen? Wenigstens bis wir sehen, wie sich alles entwickelt?«
»Manchmal habe ich den Eindruck, du willst
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