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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Barbara, die immer noch auf dem Boden hockte.
    Harriman hob abwehrend ihre wohlmanikürte Hand. »Tut mir leid. Mich rufen andere Pflichten. Sie übrigens auch. Sir David möchte Sie sprechen. Beide.«
    Barbara schlug mit dem Kopf gegen die Wand. »Dann erschießen Sie uns doch am besten gleich«, stöhnte sie.
    »Sie haben schon schlechtere Ideen gehabt«, meinte Lynley.
    Sir David Hillier war vor kurzem zum Assistant Commissioner befördert worden. Lynleys beide letzten Rencontres mit ihm hatten sich auf einem schmalen Grat zwischen Gehorsamsverweigerung und totalem Krieg bewegt. Was immer Hillier jetzt von ihnen wollte, etwas Erfreuliches war es bestimmt nicht.
    »Superintendent Webberly ist bei ihm«, bemerkte Harriman, vielleicht zu ihrer Ermutigung. »Und ich weiß aus erster Quelle, daß die beiden eine geschlagene Stunde lang mit dem Ober-VIP in Klausur waren: Sir Richard Hepton. Er ist zu Fuß gekommen und zu Fuß wieder gegangen. Was sagen Sie dazu?«
    »Da das Innenministerium keine fünf Minuten von hier ist, wundert mich das nicht weiter«, entgegnete Lynley. »Oder sollte es mich wundern?«
    »Der Innenminister höchstpersönlich! Kommt hierher und tuschelt eine Stunde lang mit Sir David hinter verschlossenen Türen!«
    »Er muß ein Masochist sein«, konstatierte Barbara Havers.
    »Mittendrin ließen sie Superintendent Webberly holen und quasselten noch mal eine halbe Stunde. Dann ist Sir Richard gegangen. Danach wollten Sir David und der Superintendent mit Ihnen beiden sprechen. Sie warten jetzt auf Sie. Oben.«
    Oben bedeutete im neuen Büro, in das Sir David mit Lichtgeschwindigkeit umgezogen war, sobald seine Beförderung amtlich geworden war. Es hatte einen uninteressanten Blick auf die Victoria Street, und seine Wände waren noch kahl. Doch Hilliers überreicher Schatz an Fotografien, die seinen beruflichen Aufstieg dokumentierten, war auf dem Boden ausgelegt, als hätte jemand die vorteilhafteste Anordnung der Bilder bereits genau geplant. In der Mitte prangte eine Aufnahme Sir Davids beim Empfang des Ritterschlags. Er kniete mit gefalteten Händen und gesenktem Kopf. Kein Mensch hatte ihn je so demutsvoll gesehen.
    An diesem Nachmittag trug er Grau, einen maßgeschneiderten Anzug, dessen Farbe genau auf die seiner üppigen Haarpracht abgestimmt zu sein schien. Er saß hinter seinem Schreibtisch, der etwa die Größe eines Fußballfelds hatte, und hielt die Hände auf der lederbezogenen Schreibunterlage so gefaltet, daß sein Siegelring das Licht der Deckenbeleuchtung einfing. In genau abgezirkeltem rechtem Winkel zur Schreibunterlage lag ein gelber Block, dessen oberstes Blatt mit Hilliers schwungvollen, selbstbewußten Schriftzügen bedeckt war.
    Superintendent Webberly, Lynleys unmittelbarer Vorgesetzter, ein Bär von einem Mann, hockte im abgetragenen Tweedanzug recht unbequem auf der Kante eines Sessels ultramodernen Designs, wie Hillier es liebte. Nachdenklich drehte er eine Zigarre, die noch im Zellophan war, zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her.
    Hillier kam ohne Umschweife zur Sache. »Gestern gegen Abend wurde in Wiltshire die Leiche eines Kindes gefunden«, sagte er zu Lynley. »Eines zehnjährigen Mädchens. Sie ist die Tochter der Staatssekretärin im Innenministerium. Der Premierminister möchte, daß das Yard die Ermittlungen leitet. Der Innenminister wünscht das ebenfalls. Ich habe Sie vorgeschlagen.«
    Augenblicklich wurde Lynleys Argwohn wach. Hillier schlug ihn niemals für einen Fall vor, wenn er nicht etwas Unerfreuliches in petto hatte. Barbara Havers hatte, wie er sah, ähnlich böse Ahnungen. Mit einem raschen Blick, als wollte sie seine Reaktion abschätzen, sah sie ihn an. Hillier bemerkte ihre Skepsis offenbar, denn er fügte schroff hinzu:
    »Ich weiß, daß es in den letzten anderthalb Jahren zwischen uns böses Blut gegeben hat, Inspector. Aber daran tragen wir beide Schuld.«
    Lynley blickte auf, nicht bereit, Hilliers letzte Bemerkung widerspruchslos hinzunehmen. Hillier schien das zu erkennen, denn er sagte sofort: »Ich trage vielleicht mehr Schuld daran. Wir alle folgen Befehlen, wenn wir müssen. In dieser Hinsicht bin ich nicht anders als Sie. Ich möchte Vergangenes gern vergessen sein lassen. Könnten auch Sie sich dazu bereit finden?«
    »Wenn Sie mir einen Fall übertragen, werde ich selbstverständlich kooperieren«, antwortete Lynley und fügte hinzu:
    »Sir.«
    »Sie werden mehr tun müssen, als zu kooperieren, Inspector. Sie werden sich mit

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