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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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entschlossen, sich bis auf den Grund der Papierberge durchzuarbeiten, bevor er für den Tag Schluß machte und nach Hause ging.
    Aber als er in sein Büro kam, sah er, daß sich jemand bereit gefunden hatte, ihm bei der Säuberung dieses Augias-Stalls zu helfen. Seine Mitarbeiterin, Detective Sergeant Barbara Havers, hockte im Schneidersitz inmitten eines Stapels von Akten und studierte, die Augen gegen den Rauch zusammengekniffen, der von ihrer Zigarette aufstieg, einen Bericht auf ihrem Schoß. Ohne aufzublicken, sagte sie: »Wie wollten Sie das ordnen, Sir? Ich ackere hier jetzt seit einer Stunde, aber Ihr System ist mir immer noch schleierhaft. Das ist übrigens meine erste Zigarette. Irgendwas mußte ich zur Beruhigung meiner Nerven tun. Also, geben Sie mir einen Tip. Nach welcher Methode gehen Sie vor? Gibt's da verschiedene Stapel? Solche, die aufgehoben werden, solche, die weitergegeben und solche, die weggeschmissen werden?«
    »Bis jetzt gibt's nur Stapel«, antwortete Lynley. Er zog sein Jackett aus und hängte es über eine Stuhllehne. »Ich dachte, Sie wollten nach Hause. Ist heute nicht Greenford-Abend?«
    »Ja, aber die Zeit spielt keine Rolle. Wenn ich da bin, bin ich da. Sie wissen ja.«
    Barbara Havers' Mutter war in Greenford im Privathaus einer Frau untergebracht, die sich um die Alten, Gebrechlichen und - wie im Fall von Doris Havers - um die geistig Verwirrten kümmerte. Havers besuchte sie sooft es ihre unregelmäßigen Arbeitszeiten erlaubten, aber nach dem, was Lynley den lakonischen Bemerkungen seiner Mitarbeiterin im Lauf der vergangenen sechs Monate hatte entnehmen können, war stets ungewiß, ob ihre Mutter sie überhaupt erkennen würde.
    Sie nahm noch einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, ehe sie sie, seinem unausgesprochenen Wunsch folgend, an der Innenwand des Metallpapierkorbs ausdrückte und im Wust weggeworfener Papiere verschwinden ließ. Sie kroch über diverse Akten hinweg und griff nach ihrer formlosen Leinentasche. Nachdem sie eine Weile darin herumgekramt hatte, zog sie ein zerdrücktes Päckchen Juicy-Fruit-Kaugummi heraus, schälte zwei Stäbchen aus der Silberfolie und schob sie in den Mund.
    »Wie haben Sie's eigentlich soweit kommen lassen?« Sie deutete mit großer Geste auf das ganze Büro. Den Rücken an die Wand gelehnt, die linke Ferse auf den Zehen ihres rechten Fußes balancierend, bewunderte sie ihre Schuhe, knallrote Basketballstiefel, die zur dunkelblauen Hose ausgesprochen pfiffig aussahen.
    »Bare Anarchie bricht aus über die Welt«, gab Lynley zur Antwort.
    »Besser gesagt, über dieses Büro«, versetzte sie.
    »Ja, es geht ein bißchen drunter und drüber«, sagte er und fügte mit einem Lächeln hinzu, »aber wenigstens fällt nicht alles auseinander. Es ist also zu hoffen, daß die Mitte hält.«
    Mit absurd verzogenem Gesicht - die Augenbrauen gerunzelt, die Unterlippe hochgeschoben, so daß sich das Kinn der Nase entgegenhob - suchte sie nach der Bedeutung hinter seinen Worten. »Was, wo, wie, Sir?« fragte sie.
    »Ein Gedicht«, erklärte er kurz und ging zu seinem Schreibtisch, wo er mit düsterer Miene auf die Berge von Heftern, Büchern, Karten und Dokumenten starrte. »Alles fällt auseinander; die Mitte hält nicht mehr; bare Anarchie bricht aus über die Welt«, sagte er. »Das gehört zu einem Gedicht.«
    »Ach so! Ein Gedicht. Reizend. Hab' ich Ihnen eigentlich schon mal gesagt, wie sehr ich Ihre Bemühungen um eine Verbesserung meines Bildungsniveaus schätze? Shakespeare, nehme ich an?«
    »Yeats.«
    »Noch besser. Obskure Zitate waren mir immer schon am liebsten. Aber um wieder zur Sache zu kommen - was sollen wir mit dem ganzen Krempel hier anfangen?«
    »Auf ein Feuer hoffen«, antwortete er.
    Diskretes Räuspern schreckte sie auf, und sie sahen beide zur Tür. Dort stand im pinkfarbenen Schneiderkostüm mit üppig fallendem cremeweißen Seidenjabot, das eine antike Kamee zierte, Dorothea Harriman, die Sekretärin ihres Superintendent. Nur ein breitkrempiger eleganter Hut fehlte zur Vollendung ihres Ensembles, und sie hätte sich beim jährlichen Rennen in Ascot unter die Royals mischen können.
    »Das ist ja erschütternd, wie es hier aussieht, Inspector Lynley.« Dorothea Harriman schüttelte beim Anblick des Büros bekümmert den Kopf. »Sie haben es wohl auf eine Beförderung abgesehen? Nur Superintendent Webberly kann gräßlicher wüten. Allerdings mit weit weniger Material.«
    »Haben Sie Lust, uns zu helfen, Dee?« fragte

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