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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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fand das Bezirksbüro des Abgeordneten Alistair Harvie in Salisbury ohne große Probleme. Aber als sie ihren Dienstausweis zeigte und um eine Routineauskunft über den Abgeordneten bat, bekam sie es mit dem eisernen Willen der Bezirksgruppenvorsitzenden zu tun. Mrs. Agatha Howe trug ihr Haar in einem Stil, der vor mindestens fünfzig Jahren aus der Mode gekommen war, und dazu ein Schneiderkostüm mit Schulterpolstern wie aus einem Joan-Crawford-Film. Kaum hörte sie die Worte »New Scotland Yard« in Verbindung mit dem Namen ihres hochgeschätzten Parlamentsabgeordneten, weigerte sie sich, mehr zu sagen, als daß Mr. Harvie von Donnerstag abend bis Sonntag abend - »Wie immer, er ist schließlich unser Vertreter« - in Salisbury gewesen war. Ihr Mund klappte zu, und sie ließ keinen Zweifel daran, daß weder Brecheisen noch Plastiksprengstoff, noch unverhüllte Drohungen hinsichtlich der Konsequenzen mangelnder Hilfsbereitschaft der Polizei gegenüber diese Lippen würden öffnen können; jedenfalls nicht bevor Mrs. Howe »mit unserem Mr. Harvie selbst« gesprochen hatte. Sie gehörte zu dem Typ Frau, bei dem es Barbara unweigerlich in den Fingern juckte, kurzen Prozeß zu machen; jenem Typ, der sich einbildete, als höhere Tochter dem Rest der Welt automatisch überlegen zu sein.
    Während Mrs. Howe in ihrem Terminkalender blätterte, um nachzusehen, wo sie ihren Abgeordneten um diese Tageszeit in London erreichen könnte, sagte Barbara: »Na gut. Tun Sie, was Sie wollen. Aber es wird Sie vielleicht interessieren, daß es sich hier um eine Untersuchung handelt, die großes öffentliches Aufsehen erregt. Die Journalisten werden sich bestimmt nicht davon abhalten lassen, in sämtlichen Schränken zu wühlen. Sie können also jetzt mit mir reden und mich friedlich meiner Wege gehen lassen, oder Sie können ein paar Stunden damit vertun, Harvie zu suchen, und riskieren, daß die Presse inzwischen davon Wind bekommt, daß er in dem Fall möglicherweise eine Rolle spielt. Das wird morgen bestimmt prächtige Schlagzeilen abgeben. Zum Beispiel: ›Harvie im Zwielicht‹. Wie stark ist übrigens seine Mehrheit?«
    Mrs. Howes Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
    »Sie wollen mir drohen? Sie kleine -«
    »Ich denke, Sie wollten Sergeant sagen«, unterbrach Barbara.
    »›Sie kleiner Sergeant‹. Richtig? Ja. Na ja, ich kann Sie gut verstehen. Ist schon hart, wenn so eine wie ich hier reinplatzt und Ihr Feingefühl verletzt. Aber Zeit ist für uns wichtig, und ich würde gern vorankommen, wenn das möglich ist.«
    »Sie werden warten müssen, bis ich mit Mr. Harvie gesprochen habe«, beharrte Mrs. Howe.
    »Das geht nicht. Mein Chef im Yard verlangt tägliche Berichte, und meiner ist ... « - hier sah Barbara um des Effekts willen zur Wanduhr hinauf - »ungefähr jetzt fällig. Es wäre mir wirklich unangenehm, ihm sagen zu müssen, daß Mr. Harvies Mitarbeiterin leider nicht zur Kooperation bereit war. Denn das wird die Aufmerksamkeit natürlich erst recht auf Mr. Harvie lenken. Und jeder wird wissen wollen, was er zu verheimlichen hat. Und da mein Chef der Presse jeden Abend berichtet, wird sich's gar nicht vermeiden lassen, daß Mr. Harvies Name aufs Tapet kommt. Es sei denn, es gibt keinen Grund dafür.«
    Mrs. Howe ging allmählich ein Licht auf, aber sie war nicht umsonst die Vorsitzende der Bezirksgruppe der Tories. Sie war es gewohnt, Geschäfte zu machen, und ohne Gegenleistung ging bei ihr gar nichts: Quid pro quo und Frage für Frage. Sie war neugierig und wollte wissen, was los war. Sie kleidete ihre Neugier in edle Besorgnis. »An erster Stelle stehen bei mir die Interessen der Wähler und unserer Partei. Ihnen zu dienen ist unser Ziel. Wenn Mr. Harvie aus irgendeinem Grund nicht in der Lage sein sollte, unsere Interessen wahrzunehmen ...«
    Bla, bla, bla, dachte Barbara. Sie hatte schon verstanden. Sie ging auf das Geschäft ein. Sie erzählte Mrs. Howe nicht mehr, als daß es bei der fraglichen Untersuchung um ebendas ging, was abendlich in den Nachrichten an erster Stelle kam und sämtlichen Zeitungen derzeit die Schlagzeilen lieferte - die Entführung und den nachfolgenden Tod der zehnjährigen Tochter der Staatssekretärin im Innenministerium. Sie gab Mrs. Howe nichts preis, was diese nicht selbst hätte herausfinden können, wenn sie zur Abwechslung einmal etwas anderes getan hätte, als Alistair Harvies Aktivitäten in London zu überwachen und die betagte Sekretärin des Bezirksbüros

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