08 - Im Angesicht des Feindes
auch tun.
Wo war das kleine Mädchen ertränkt worden? Badewanne, Waschbecken, Spülbecken, Toilette. Aber wo? In welchem Becken? In welcher Wanne? In welcher Toilette? Jede Spur, die sie bis jetzt aufgedeckt hatten, hatte mit London zu tun. Also mußte auch das Leitungswasser mit London verbunden sein, wenn nicht geographisch, dann persönlich. Die Person, die Charlotte in Leitungswasser ertränkt hatte, mußte eine Beziehung zu London haben, von wo das Kind entführt worden war. Da fielen einem zuerst ihre Mutter ein - mit ihrem geplanten Gefängnis in Wiltshire - und Alistair Harvie, der dort seinen Wahlbezirk hatte. Aber die Ermittlungen gegen Harvie hatten zu nichts geführt; das war eine Sackgasse, mußte eine sein. Und was Charlottes Mutter anging ... Was mußte das für ein Ungeheuer sein, das die Entführung und Ermordung seines einzigen Kindes veranlaßte? Außerdem drohte Eve Bowen laut Lynley jetzt, da Luxford die Story veröffentlichen wollte, alles zu verlieren. Und Luxford - Barbara stockte kurz der Atem, als ihr eine Einzelheit aus dem Wust von Fakten einfiel, mit denen Lynley sie vor Stunden am Telefon überschüttet hatte. Sie ging von der Windmühle weg auf die Wiese hinaus. Sie trat aus dem breiten Lichtkegel, der aus der Tür der Mühle fiel. Natürlich, dachte sie. Dennis Luxford.
In der Dunkelheit konnte sie nur undeutlich die abfallenden Felder südlich der Windmühle ausmachen und dahinter unter dem glänzenden Sternenhimmel das weite Land, das in der Ferne wieder anstieg. Im Westen flimmerten die Lichter des nahen Dorfes in der Finsternis, im Norden lagen die von Unkraut erstickten Felder, an denen sie entlanggefahren waren. Und irgendwo in der Nähe - sie wußte es, sie war überzeugt davon und sie würde es sich beweisen, sobald Robin zurück war - war das Knabeninternat Baverstock.
Da war der Zusammenhang, nach dem sie gesucht hatte. Das war das Verbindungsglied zwischen London und Wiltshire. Und das war das unzerreißbare Band zwischen Dennis Luxford und dem Tod seiner Tochter.
24
Erst als Lynley sich am folgenden Morgen allein zum Frühstück setzte, wurde ihm so richtig bewußt, wie sehr Helen ein Teil seines Lebens geworden war. Am Vortag hatte er das Frühstück ganz ausfallen lassen und auf diese Weise eine lange einsame Sitzung bei Toast und Eiern vermieden. Aber da er auch auf das Abendessen verzichtet hatte, fühlte er sich gegen Mitternacht ziemlich flau. Er hätte einen Imbiß gut gebrauchen können, aber ihm war nicht danach zumute, in der Küche herumzuwirtschaften. Er beschloß, lieber gleich zu Bett zu gehen und am Morgen für sein leibliches Wohl zu sorgen. Er hatte deshalb einen Zettel in die Küche gelegt - »Frühstück. Für eine Person« -, und Denton hatte sich mit der gewohnten hingebungsvollen Fürsorge darum gekümmert, daß es Lynley an nichts mangelte.
Auf dem Büffet im Speisezimmer war ein halbes Dutzend zugedeckter Schüsseln und Schalen aufgereiht. Zwei Krüge mit Saft standen bereit. Cornflakes, Weetabix und Müsli warteten neben einer Schale und einem Krug Milch. Es war Dentons Stärke, daß er Anweisungen stets befolgte. Seine Schwäche war, daß er dabei Maß und Ziel vergaß. Lynley war sich bis heute nicht klar darüber, ob der junge Mann ein frustrierter Schauspieler oder ein noch frustrierterer Bühnenbildner war.
Nach einer Schale Weetabix inspizierte er die Warmhalteschüsseln und nahm sich Eier, gegrillte Tomaten, Champignons und Bratwürstchen. Erst als er sich zu seinem zweiten Gang niedersetzte, wurde ihm bewußt, wie bedrückend still es im ganzen Haus war. Er vertrieb das klaustrophobische Gefühl, das die Stille hervorrief, indem er zur Times griff und sich in die Zeitung vertiefte. Er war noch dabei, sich durch die Leitartikel zu ackern - zwei Spalten über die Heuchelei der ständig von Rückbesinnung auf die wahren britischen Grundwerte faselnden Tories, die sich im jüngsten Skandal über den Abgeordneten von East Norfolk und seine intimen Beziehungen zu einem Strichjungen spiegelte -, als er merkte, daß er denselben anklagenden Absatz dreimal gelesen hatte, ohne etwas von seinem Inhalt aufzunehmen.
Ungeduldig legte er die Zeitung weg. Er würde noch genug zu lesen bekommen, wenn er erst einmal die aktuelle Ausgabe der Source in Händen hielt. Er hob den Kopf und konfrontierte sich mit dem, was er seit Betreten des Zimmers gemieden hatte: dem Anblick von Helens leerem Stuhl.
Er hatte sie am vergangenen Abend nicht angerufen. Er
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