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08 - Im Angesicht des Feindes

08 - Im Angesicht des Feindes

Titel: 08 - Im Angesicht des Feindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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weiter.
    »Rufen Sie seine Eltern an«, befahl er. »Sagen Sie ihnen Bescheid.«
    Nkata ging aus dem Zimmer.
    Lynley wandte sich wieder Barbara zu. Sie lehnte immer noch am Türpfosten. Behutsam zog er sie weg, fort aus dem Licht ins Eßzimmer, in dem es noch dunkel war. Er drückte sie auf einen Stuhl.
    »Er hat mir die Nase gebrochen«, flüsterte sie. »Und ich weiß nicht, was sonst noch. Mein ganzer Oberkörper tut mir weh. Ich glaube, es hat ein paar Rippen erwischt.« »Es tut mir leid«, sagte Lynley. »Mein Gott, Barbara. Es tut mir leid.«
    »Leo hat's ihm gegeben«, sagte sie. »Er hat ihn zusammengeschlagen.«
    Lynley kauerte vor ihr nieder. Er zog sein Taschentuch heraus und tupfte zart ihr Gesicht ab. Aber es half nichts. Immer neues Blut sickerte aus den Wunden. Wo zum Teufel, fragte er sich, bleibt der verdammte Krankenwagen?
    »Ich hab' natürlich gewußt, daß er in Wirklichkeit gar nichts von mir wollte«, sagte sie. »Aber ich hab' mitgemacht. Weil ich dachte, das wäre das Richtige.«
    »Das war es auch«, versicherte Lynley. »Es war richtig. Sie habe genau das Richtige getan.«
    »Und am Ende hab ich's ihm mit gleicher Münze heimgezahlt.«
    »Wie?« fragte Lynley.
    Sie lachte leise und zuckte gleich wieder zusammen vor Schmerz. »Ich hab' ihn in der Gruft eingesperrt. Damit er mal sieht, wie's ist, wenn man im Dunkeln sitzt. Dieses Schwein.«
    »Ja«, sagte Lynley. »Er ist wirklich ein Schwein.«

    Sie weigerte sich, ins Krankenhaus zu fahren, ehe sie ihnen genau beschrieben hatte, wo er zu finden war. Sie erlaubte nicht einmal den Sanitätern, sie zu versorgen, bevor sie Lynley eine Karte gezeichnet hatte. Sie hing über dem Tisch und blutete auf die geblümte Tischdecke. Und sie mußte den Bleistift, mit dem sie den Plan zeichnete, mit beiden Händen führen.
    Einmal hustete sie, und Blut quoll aus ihrem Mund. Lynley nahm ihr den Stift ab und sagte: »Ich weiß es jetzt. Ich werde ihn holen. Sie müssen jetzt dringend ins Krankenhaus.«
    »Aber ich will dabeisein, um alles abzuschließen«, entgegnete sie eigensinnig.
    »Sie haben es abgeschlossen«, sagte er.
    »Und jetzt?«
    »Jetzt nehmen Sie mal Urlaub.« Er tätschelte ihr vorsichtig die Schulter. »Sie haben ihn wirklich verdient.«
    Völlig überrascht sah er ihr unglückliches Gesicht. »Aber was werden Sie -«, begann sie, unterbrach sich dann jedoch, als habe sie Angst, sie würde zu weinen anfangen, wenn sie den Satz beendete.
    Er wußte nicht, was sie meinte. Erst als Winston Nkata wieder hereinkam, verstand er. »Ich hab' die Eltern erreicht«, sagte der lange Constable. »Sie sind schon unterwegs. Wie geht's Ihnen, Sarge?«
    Barbaras Augen waren fest auf Nkata gerichtet. Lynley sagte zu ihr: »Es hat sich nichts geändert, Barbara. Fahren Sie ruhig ins Krankenhaus.«
    »Aber wenn ein Fall -«
    »Dann übernimmt ihn ein anderer. Helen und ich heiraten am Wochenende. Ich werde also auch nicht im Yard sein.«
    Wieder lächelte sie mit Mühe. »Sie heiraten?«
    »Ja, endlich.«
    »Ist ja irre«, sagte sie. »Darauf müssen wir einen trinken.«
    »Werden wir tun«, versicherte er ihr. »Aber nicht heute abend.«

    Lynley fand Robin Payne dort, wo Barbara Havers ihn zurückgelassen hatte: eingesperrt in der gespenstischen Gruft unter der Burgkapelle von Silbury Huish Castle. Er kauerte so weit wie möglich von den gruseligen Bleisärgen entfernt in einer Ecke und hielt die Arme fest um seinen Kopf geschlungen. Als Constable Nkata den Strahl seiner Taschenlampe auf Payne richtete, hob dieser sein Gesicht dem Licht entgegen, und Lynley verspürte beim Anblick seiner Verletzungen eine flüchtige primitive Befriedigung. Havers und Leo hatten Gleiches mit Gleichem vergolten. Paynes Wangen und Stirn waren zerkratzt und voller Blutergüsse. Sein Haar war von geronnenem Blut verfilzt. Eins seiner Augen war zugeschwollen.

    »Payne?« sagte Lynley zu ihm.
    Der Mann stand mit schmerzverzerrtem Gesicht auf und wischte sich den Mund mit dem Handrücken. »Bringen Sie mich hier raus«, sagte er. »Mich haben so ein paar Rowdys hier eingesperrt. Sie haben mich unten auf der Straße angehalten und -«
    »Ich arbeite mit Sergeant Havers zusammen«, unterbrach Lynley.
    Das brachte den jungen Mann zum Schweigen. Die angeblichen Rowdys - zweifellos Teil eines Märchens, das er sich ausgedacht hatte, nachdem Havers ihn hier zurückgelassen hatte - schienen plötzlich aus seinen Gedanken verschwunden. Er drängte sich näher an die Mauer der Gruft, und

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