08 - Old Surehand II
gleich tue.“
Hierauf richtete sich das Gespräch auf diesen berühmten Westmann, und es wurden einige seiner hervorragendsten Taten erzählt. Der Graf war nicht mit bei Tisch erschienen; die heutigen Auftritte ärgerten ihn; er fühlte gar wohl, daß er sich blamiert hatte, und darum kam er nicht. Auf das Duell mit Helmers war er natürlich nur aus Feigheit nicht eingegangen.
Es war ein außerordentlich liederlicher und verschwenderischer junger Edelmann und hatte trotz des Reichtums seines Vaters, der ihn mit einer sehr hohen Jahresrente bedachte, so hohe Schulden gemacht, daß er sich nicht getraute, es ihm mitzuteilen. Seine Gläubiger drückten und quälten ihn, und da er von dem ‚Schatz der Könige‘ gehört hatte und von Karja wußte, daß sie das Geheimnis kannte, so wollte er diesen Schatz heben, von dem der tausendste Teil hinreichend war, die Gläubiger zu befriedigen. Er hatte jedes ungesehene Zusammentreffen mit der Indianerin benützt, sich ihr von der vertrauenswertesten Seite zu zeigen, und ihr sogar versprochen, sie zur Gräfin Rodriganda zu machen. Trotzdem sie so harmlos und vertrauensselig war, ihm dies vollständig zu glauben, war sie bisher doch nicht dazu zu bringen gewesen, ihm zu sagen, wo der Schatz zu suchen sei. Jetzt nun war er, von seinen Gläubigern auf das äußerste gedrängt, von der Hauptstadt Mexiko nach der Hacienda mit dem festen Vorsatz gekommen, Karja so zu bearbeiten, daß sie ihm das Geheimnis verraten müsse. Er ging nach den Ölbäumen am Bach und fand sie schon da, seiner wartend. Sie war zornig auf ihn, weil er sich so beleidigend gegen ihre Retter verhalten hatte, doch gelang es seiner Gewandtheit sehr bald, ihren Unmut zu zerstreuen. Dann ging er auf sein Ziel los. Er versprach ihr, sie adeln zu lassen, um sie dann zu seiner Frau machen zu können, denn der Adel sei ihr notwendig, obgleich sie in seinen eignen Augen für vollständig ebenbürtig gelte, weil sie der Abkömmling von Königen sei. Um den Adel zu erhalten, sei aber Geld, sehr viel Geld nötig, was er für sie von seinem Vater nicht erhalten könne; dazu sei der Schatz der Könige nötig, den er auch schon deshalb haben müsse, weil sein Vater ihn wegen Karja enterben und er also arm, ganz arm sein werde. Wenn er aber bereit sei, ihr dieses große Opfer zu bringen, und ihr also beweise, wie gut und ehrlich er es mit ihr meine, dürfe sie nun auch ihrerseits nicht länger zögern, ihm das Geheimnis mitzuteilen. Seine Überredungsgabe siegte mit diesen Gründen. Sie versprach, ihm den Ort, wo der Schatz liege, zu sagen, stellte aber die Bedingungen, daß er ihrem Bruder nie verrate, daß sie das Geheimnis nicht gehütet habe, und daß er ihr ein schriftliches und mit Unterschrift und Siegel versehenes Dokument des Inhalts gebe, daß er sie gegen Auslieferung des Schatzes zur Gräfin von Rodriganda machen werde. Er ging auf diese Bedingung ein und sagte ihr, daß sie sich dieses Dokument morgen persönlich bei ihm holen solle.
Wie froh war er, seinen Zweck erreicht zu haben. Hatte er doch in der Überzeugung, zum Ziel zu gelangen, schon Leute mitgebracht, welche die Schätze nach der Hauptstadt transportieren sollten! Das Dokument machte ihm keine Sorgen; die niedrigstehende, verachtete Indianerin war selbst mit einem solchen Schriftstück vollständig machtlos, ihm, dem hochgeborenen Grafen, gegenüber. Aber nur erst die Schätze haben!
Während diese beiden bei den Oliven waren, führte Helmers den Häuptling Tecalto nach seinem Lagerplatz im Gras der Weide. Er war seit langer Zeit die freie Gottesnacht gewöhnt und wollte, ehe er sich im Zimmer schlafen legte, noch eine Lunge voll frischer Luft sammeln. Darum ging er, als er sich von dem Häuptling verabschiedet hatte, noch nicht in die Hacienda zurück, sondern trat in den Blumengarten, wo er sich am Rand des künstlichen Bassins niederließ, in welchem eine Fontäne ihren belebenden Wasserstrahl zur Höhe schoß.
Er hatte noch nicht lange hier gesessen, als er den Schritt eines leisen Fußes hörte. Gleich darauf kam eine weibliche Gestalt langsam den Gang dahergeschritten und grad auf die Fontäne zu. Er erkannte Emma und erhob sich, um nicht vielleicht für einen Lauscher gehalten zu werden. Sie erblickte ihn und zauderte weiterzugehen.
„Bitte, Señorita, treten Sie getrost näher“, sagte er. „Ich werde mich sogleich entfernen, um Sie nicht zu stören.“
„Ach, Sie sind es, Señor Helmers“, antwortete sie. „Ich glaubte, daß es ein
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