08 - Old Surehand II
entsündigen?“
„Sie dürfen!“ erwiderte er erfreut, sie in seinem kleinen, wohlgeordneten Reich umherführen zu können.
„Und wann?“
„Wann Sie befehlen!“
„Dann morgen Sir, morgen am Vormittag!“
„Gern, sehr gern, Miß. Ihr Fuß soll die Stätte heiligen, die meine gegenwärtige Heimat ist!“
„Dann werden wir Gelegenheit finden, das Examen anzustellen“, lächelte sie schalkhaft. „Doch wünsche ich, Lieutenant, daß mein Besuch Ihnen keinerlei Unbequemlichkeiten veranlasse. Ich bin weder Admiral noch Kommodore und habe nicht das mindeste Recht, einen seemännischen Eklat zu beanspruchen.“
„Keine Sorge, Miß! Selbst wenn ich wollte und es mir überhaupt gestattet würde, den ‚l'Horrible‘ im Paradekleid auf Sie warten zu lassen, würde ich mit einigen kleinen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Grad morgen früh gehen einige meiner Männer auf Abschied von Bord, und ich muß, um wieder vollzählig zu sein, mich nach Ergänzung umsehen.“
„Ah! Darf ich Ihnen dabei dienen, Sir?“
„Ich würde eine solche Liebenswürdigkeit mit Dank anzuerkennen wissen!“
„O bitte, nein, zum Dank würde dann nur ich verpflichtet sein! Ihre Bemerkung erinnert mich an einige brave Männer, die in meinen Diensten standen und auf ein gutes Schiff zu kommen wünschen. Sie sämtlich sind sehr wohlbefahrene Seeleute, denen ich das beste Lob erteilen kann. Darf ich sie Ihnen empfehlen?“
„Ihre Empfehlung überhebt mich der Mühe, mich nach passenden Persönlichkeiten umzusehen. Darf ich um das Nähere bitten?“
„Sie wohnen in der Nähe. Ich werde sie in das Vorzimmer rufen lassen, wo Sie die Prüfung vornehmen können.“
„Ihre Güte drückt mich förmlich nieder, Miß. Ich bin überzeugt, daß keiner Ihrer Schützlinge zurückgewiesen wird!“
„Ich danke! Gestatten Sie mir, den betreffenden Befehl zu erteilen?“
Sie kehrte in die Gesellschaftsräume zurück. Jenner war bezaubert von der Liebenswürdigkeit dieser Frau, die ihm eine solche Freundlichkeit erwies. Er, der einfache, in gesellschaftlicher Beziehung anspruchslose Seemann konnte sich unmöglich einem Argwohn hingeben, und als ihm gemeldet wurde, daß die Betreffenden im Vorzimmer seiner harrten, trat er am Arm der Gastgeberin hinaus, warf Tom, denn dieser war es, den die Dame mit seinen Gefährten aus der Taverne hatte kommen lassen, einige leicht zu beantwortende Fragen hin, gab ihnen das gebräuchliche Angeld und gebot ihnen, schon am nächsten Morgen an Bord des ‚l'Horrible‘ einzutreffen.
„Nun Lieutenant“, fragte ihn der Kapitän des Panzerschiffes, als sie später miteinander heimgingen. „Wie gefällt Ihnen die Dame?“
„Ausgezeichnet!“ antwortete Jenner. „Sie will meinem ‚l'Horrible‘ einen Besuch abstatten.“
„Ah! Und wann?“
„Schon morgen am Vormittag.“
„Hm, gratuliere Lieutenant! Der Empfang wird ein gebührender sein.“
„Höflich, nicht mehr!“
„Soll ich mich dazu einladen?“
„Darf ich Sie ersuchen, Kapitän?“
„Nein, nein“, lachte dieser; „ich will ein rücksichtsvoller Kamerad sein und Sie in Ihrer Herrlichkeit nicht stören, allerdings nur unter einer gewissen Bedingung!“
„Sie lautet?“
„Sie bringen mir Ihren Besuch auf eine Viertelstunde herüber zu mir!“
„Zugestanden!“
„Topp?“
„Topp.“
Die beiden Offiziere bestiegen das ihrer harrende Boot, um sich nach ihren Fahrzeugen zu begeben. – – –
Am andern Morgen herrschte an Bord des ‚l'Horrible‘ ein regeres Leben als gewöhnlich. Die Mannschaft war unterrichtet worden, daß eine hochgestellte Dame das Schiff zu besichtigen wünsche. Die peinliche Ordnung und Reinlichkeit, welche auf einem Kriegsschiff zu herrschen pflegt, ließ zwar alle Vorbereitungen in dieser Richtung als überflüssig erscheinen, dennoch aber unterwarf Jenner sein Fahrzeug einer sorgfältigen Prüfung und verordnete hier und da einen Handgriff oder befahl ein kleines Arrangement, um seine schwankende Wohnung in einem möglichst vorteilhaften Licht erscheinen zu lassen.
Er hatte diese Tätigkeit eben erst beendet, als die neu angeworbenen Matrosen an Bord erschienen und sich ihm vorstellten. Er nahm sie in Pflicht, ließ ihnen ihren Raum anweisen und bekümmerte sich dann nicht weiter um sie. Die spezielle Beaufsichtigung der Leute war so nicht seine, sondern die Sache des Maats.
Als dann später die Frau de Voulettre erschien, empfing er sie mit ausgesuchter Artigkeit.
„Ein prächtiges Schiff!“
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