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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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und Jean betreten hatten. An der Gartenpforte stand ein Koffer, neben ihm eine männliche Gestalt. Es war hier so dunkel, daß man die Einzelheiten nicht genau zu erkennen vermochte, doch war so viel zu sehen, daß der Mann kaum die Mittelgröße erreichte und einen mächtigen, dunklen Vollbart trug. Es war die Frau von Voulettre, die sich wieder verkleidet hatte. Der Koffer enthielt ihre kostbaren nautischen Instrumente.
    „Ist der Wagen bestellt?“ fragte der Mann mit dem dunklen Vollbart kurz.
    „Ja“, lautete die Antwort.
    „Vorwärts!“
    Seine Stimme klang befehlend, als sei er das Kommandieren von Jugend auf gewöhnt. Die Männer faßten den Koffer und schritten voran. Er folgte ihnen. An der Ecke einer Straße stand ein Wagen. Der Koffer wurde auf den Bock desselben gehoben; die drei stiegen ein, und das Gefährt rollte im Trab zur Stadt hinaus. Im Freien angekommen, hielt es an. Die Fahrgäste stiegen aus, ergriffen den Koffer wieder und wandten sich, während der Wagen zurückkehrte, dem Strand zu.
    Sie hatten denselben noch nicht erreicht, so ertönte hinter einem Busch eine Stimme.
    „Halt, wer da?“
    „Der ‚Schwarze Kapitän‘.“
    „Willkommen!“
    Eine Schar dunkler Gestalten eilte herbei und umringte ehrfurchtsvoll den bärtigen Mann.
    „Die Boote in Ordnung?“ fragte er.
    „Ja.“
    „Die Waffen?“
    „Alles recht.“
    „Fehlt jemand?“
    „Keiner.“
    „Dann come on; ich nehme den ersten Kahn!“
    Der Koffer wurde eingehoben, die mit Lappen sorgfältig umwickelten Ruder eingelegt, und die Fahrzeuge legten sich in eine vollständig geräuschlose Bewegung.
    Zunächst strebten sie grad auf die Höhe hinaus, dann legten sie scharf nach Steuerbord über und näherten sich auf diese Weise von der Seeseite aus mit außerordentlicher Vorsicht dem mitten in tiefer Dunkelheit liegenden ‚l'Horrible‘, an dessen Spriet und Stern nur je eine einsame Schiffslaterne brannte.
    Sie waren jetzt so nahe an das Fahrzeug herangekommen, daß man sie bei der gewöhnlichen Aufmerksamkeit ganz sicher bemerken mußte. Der, welcher sich Kapitän genannt hatte, stand aufrecht am Steuer und hielt sein scharfes Auge forschend auf die dunkle Gestalt des Schiffes gerichtet. Es war ein Moment, in dem sich alles entscheiden mußte und der seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm.
    Da ertönte der halblaute, heisere Schrei einer Möwe.
    Die Leute in den Booten atmeten auf; es war das mit dem langen Tom verabredete Zeichen, daß an Bord alles gut gehe. Einige Taue hingen am Hinterteil herab.
    „Legt an, und dann hinauf!“ ertönte das leise Kommando.
    Einige Augenblicke später standen sämtliche Männer an Deck. Tom hatte sie erwartet.
    „Wie steht es?“ fragte der Bärtige.
    „Gut. Ich und die Unsrigen haben die Wache. Die andern schmausen unten in der Vormarskoje oder liegen schon betrunken am Boden.“
    „Hinunter! Doch schont sie. Sie werden gefesselt und in den Raum geschlossen; später müssen sie zu uns schwören. Je mehr Arme wir bekommen, desto besser für uns.“
    Dieser Befehl wurde schnell und ohne Lärm ausgeführt. Die nichtsahnende und vom Grog berauschte Mannschaft wurde leicht überwältigt, gebunden und in dem Kielraum geborgen. Dann zog man den Koffer empor, welcher in die Kapitänskajüte getragen wurde, und löste die Boote, die man mitgebracht hatte, von den Tauen. Sie konnten schwimmen – das Schiff befand sich vollständig in der Gewalt der Korsaren.
    Jetzt versammelte der Schwarzbärtige seine Leute um sich und wies jedem seine Stelle an.
    „Wir stechen in See. Schmiert die Ankerwinde und die Takelrollen mit Öl, damit kein unnötiges Geräusch entsteht. Kommandieren darf ich nicht, sonst hört man mich da drüben auf dem Panzerschiff; aber ich hoffe, daß jeder weiß, was er zu tun hat!“
    Die Mannschaft verteilte sich. Der Kommandeur eilte von Ort zu Ort, um seine Befehle leise auszusprechen; der Anker hob sich, die Segel rollten empor und der günstige Wind begann, sie zu blähen. Das prachtvolle Schiff gehorchte dem Steuer; es legte sich langsam herum, teilte die widerstrebenden Wogen und schoß der offenen See entgegen.
    Da erst erscholl von dem Deck des Panzerschiffes ein Schuß – ein zweiter – ein dritter. Man wußte dort, daß die Offiziere des ‚l'Horrible‘ an das Land gegangen waren, hatte, allerdings zu spät, die Bewegung des Schiffes bemerkt, mußte natürlich sofort etwas Ungewöhnliches oder gar Gesetzwidriges vermuten und gab nun durch die drei

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