08 - Old Surehand II
ist noch unbestimmt, aber um elf müßt ihr versammelt sein, dürft jedoch vor meiner Anwesenheit nichts unternehmen.“
„Schön. Es wird einen tüchtigen Kampf geben, ehe das Fahrzeug unser ist.“
„Nicht so sehr, als ihr denkt. Die Offiziere und Subalternen sind heut abend an das Land geladen, und an Bord selbst wird ein Festgelage stattfinden, welches uns bestimmt in die Hand arbeiten muß.“
„Das läßt sich hören. Gibt es keinen Freund an Bord?“
„Der lange Tom ist da mit noch einigen, die uns erwarten.“
„Alle Teufel, Ihr habt das Ding fein eingeleitet! Also der ‚Schwarze Kapitän‘ wird wirklich mit dabei sein?“
„Sicher. Es werden die Anker sofort gelichtet; der Wind ist gut; die Ebbe fällt passend, und wenn nicht ein ganz und gar unvorhergesehenes Hindernis eintritt, so wird man von dem ‚l'Horrible‘ bald dieselben Geschichten wie früher erzählen.“
„Auf uns könnt Ihr rechnen, Sir. Wir werden gegen dreißig Mann sein, und mit tüchtigen Offizieren und einem solchen Segler braucht man die ganze Marine der Welt nicht zu fürchten.“
„Das meine ich auch. Hier habt ihr euer Draufgeld und noch einiges darüber, um zu trinken. Aber haltet euch nüchtern, damit der Handstreich uns nicht etwa mißlingt!“
Ein Stuhl wurde gerückt; der letzte Sprecher entfernte sich. Sanders hatte ihn auch an der Stimme erkannt, obgleich sie eine verstellte und in die tieferen Tonlagen hinabgedrückte war. Das Gehörte war so außerordentlich, daß er eine ganze Weile vollständig bewegungslos stand und auch wohl noch länger so verblieben wäre, wenn ihn nicht ein leises „Pst!“ aus seiner halben Erstarrung aufgeschreckt hätte. Jean Letrier stand vor dem Zwischenraum und winkte.
„Sie ist fort, wieder zurück; schnell, schnell!“
Der Kapitän drängte sich aus der Enge heraus, gerade noch zur rechten Zeit, um den Gegenstand seiner Beobachtung hinter der nächsten Ecke verschwinden zu sehen. Die beiden Männer eilten ihm nach und verfolgten ihn durch die schmutzigen Gäßchen der Vorstadt und die breiten Straßen der besseren Stadtteile bis an das Gitter eines einsam gelegenen Gartens. Hier blickte er sich prüfend um und schwang sich, als er nichts Verdächtiges bemerkte, mit einem katzenartigen Sprung hinüber. Hier hielten sie wohl gegen eine Stunde Wacht, aber vergebens; er kehrte nicht zurück.
„Sie muß hier wohnen, Jean. Laß uns das Haus suchen, zu welchem dieser Garten gehört!“
Um dies zu tun, mußten sie eine Seitengasse durchschreiten. Als sie aus derselben traten, bemerkten sie eine glänzende Equipage, welche vor der Tür eines Hauses hielt, welches kein andres als das gesuchte sein konnte. Eine Dame war soeben eingestiegen und gab dem Kutscher das Zeichen. Sanders trat in die Gasse zurück; das elegante Fahrzeug rollte vorüber, so daß die Gesichtszüge der Inhaberin zweifellos zu erkennen waren.
„Sie ist's!“ rief Jean.
„Ja, sie ist's; hier ist eine Täuschung ganz unmöglich. Ich bleibe hier; du aber gehst in das Haus und suchst ihren jetzigen Namen zu erfahren.“
Jean gehorchte dem Gebot und kehrte schon in kurzer Zeit mit der gewünschten Auskunft zurück.
„Nun?“
„Frau de Voulettre.“
„Ah! Wo wohnt sie?“
„Sie hat die vollständige erste Etage inne.“
„Komm nach dem Hafen; dort werde ich dir weitere Mitteilungen machen!“
Sie schritten der genannten Gegend zu und kehrten auf diesem Weg in einem ‚Store of dressing‘ ein, den sie in Beziehung auf Wäsche, Kleidung und sonstige Ausstattung vollständig verändert verließen. Langsam durch das Menschengewühl des Quais schreitend, zuckte es plötzlich wie ein heftiger Schreck über das Gesicht Letriers; er faßte Sanders und zog ihn hinter einen großen Haufen aufgestapelter Warenballen.
„Was gibt's?“ fragte Sanders.
„Blickt gradaus, Kapitän, und seht, ob Ihr den Mann kennt, der unter dem großen Kran steht!“
„Ah – alle Teufel, der Colonel, Sam Fire-gun! Sie haben sich also nicht irreführen lassen und sind uns auf dem Fuß gefolgt. Wo mögen die andern stecken?“
„Die hat der verdammte deutsche Polizist ganz sicher in der Stadt verteilt, um uns aufzulauern und unsern Aufenthalt zu erforschen.“
„Jedenfalls. Hat uns der Alte schon bemerkt?“
„Ich glaube nicht. Sein Gesicht war seitwärts gerichtet, als ich ihn sah, und bei unsrem jetzigen Habitus sollte es ihm auch schwer werden, uns zu erkennen, wenn wir ihm nicht allzuweit zu nahe
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