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08 - Old Surehand II

08 - Old Surehand II

Titel: 08 - Old Surehand II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Wand und hob ihn so empor, daß er mit dem Kragen an einem Kleiderhaken hängenblieb. Das war kein ganz gewöhnliches Kraftstück, und er führte es aus, ohne daß man ihm dabei eine Anstrengung anmerkte. Der andre begann, als er an der Wand hing, zu schreien und zu zappeln, was bei seiner langen, dürren Gestalt sehr wunderlich aussah, bis der Kragen seines Büffellederrockes zerriß und er zu Boden fiel. Spencer lachte aus vollem Hals; seine Gefährten stimmten ein, und auch die anderen konnten nicht ganz ernst dabei bleiben, obgleich der Rowdy gar nicht ihren Beifall hatte. Dieser schickte dem still auf seinen Platz zurückkehrenden ‚Coloradomann‘ sein Gelächter nach und schien dadurch in friedliche Stimmung zu geraten, denn er sah von einer weiteren Herausforderung ab und setzte sich wieder nieder, um mit seinen Kameraden die lärmende Unterhaltung fortzusetzen. Dabei hatte ich das große Glück, daß er mich nun endlich seiner Aufmerksamkeit würdigte. Er fixierte mich mit neugierigem Blick und richtete dann die etwas sonderbare Frage an mich:
    „Seid wohl auch so ein Coloradomann wie der da drüben, he?“
    „Glaube nicht, Sir“, antwortete ich ruhig.
    Man war an allen Tischen still, um zu hören, was nun kommen werde. Vielleicht gab es wieder etwas zum Lachen.
    „Also nicht?“ fuhr er fort. „Ihr scheint mir aber auch kein Held zu sein!“
    „Gebe ich mich etwa für einen aus? Ich schmücke mich nicht mit falschen Federn.“
    „Das ist Euer Glück, sonst würde ich Euch auch an den Nagel hängen!“
    Da ich hierauf schwieg, fuhr er mich an: „Glaubt Ihr es etwa nicht?“
    „Hm! Ich glaube es ganz gern.“
    „Im Ernst? Toby Spencer ist nämlich nicht der Mann, mit dem man Späße treibt!“
    Es war klar, daß er nun mit mir Streit suchte. Ich sah den besorgten Blick, den Mutter Thick auf mich warf, und tat ihr den Gefallen, sehr höflich zu antworten:
    „Davon bin ich überzeugt, Sir. Wer die Körperstärke besitzt, einen so langen Menschen wie den da drüben an den Nagel zu hängen, der hat es gar nicht nötig, sich von andern Leuten foppen zu lassen.“
    Sein boshaft auf mich gerichteter Blick wurde milder, und sein Gesicht nahm einen fast freundlichen Ausdruck an, als er jetzt in befriedigtem Ton sagte:
    „Habt recht, Sir. Ihr scheint kein ganz unechter Kerl zu sein. Wollt Ihr mir sagen, was für eine Art von Metier Ihr habt?“
    „Hm! Eigentlich keins.“
    „Wie meint Ihr das?“
    „Weil ich grad jetzt gar nichts betreibe.“
    „So habt Ihr wohl Ferien?“
    „Yes.“
    „Und viel Zeit übrig?“
    „Sehr viel.“
    „Was tut Ihr denn aber, wenn Ihr keine Ferien habt? Ihr müßt doch irgend etwas sein oder irgend etwas machen. Oder nicht?“
    „Freilich wohl.“
    „Nun was?“
    „Ich habe mich schon in verschiedenen Branchen versucht.“
    „Es aber zu nichts gebracht?“
    „Leider!“
    „Was waret Ihr zuletzt?“
    „Zuletzt bin ich in der Prärie gewesen.“
    „In der Prärie? Also Jäger?“
    „So ähnlich.“
    „Könnt Ihr denn schießen?“
    „So leidlich.“
    „Und reiten?“
    „So, daß ich nicht grad herunterfalle.“
    „Ihr scheint mir aber von etwas ängstlicher Natur zu sein!“
    „Wirklich?“
    „Ja.“
    „Hm! Es kommt auf die Verhältnisse an. Mut soll man nur zeigen, wenn es nötig ist, sonst ist es Prahlerei.“
    „Das ist sehr richtig! Hört, Ihr beginnt, mir zu gefallen. Ihr seid ein bescheidener Boy, der zu brauchen ist. Ein großer Westmann seid Ihr freilich nicht; das sieht man Euch mit jedem Blick an; wenn ich wüßte, daß Ihr nicht grad ein ausgemachtes Greenhorn wäret, so –“
    „So –?“ fragte ich, weil er den Satz nicht ganz aussprach.
    „So würde ich fragen, ob Ihr Lust habt, mit uns zu gehen.“
    „Wohin?“
    „Nach dem Westen.“
    „Der ist groß. Es wäre mir lieber, eine bestimmte Gegend zu hören.“
    „Die kann ich Euch sagen. Also Ihr habt Zeit, und es hält Euch nichts hier zurück?“
    „Gar nichts.“
    „So sagt, ob Ihr mitwollt!“
    „Ehe ich das sagen kann, muß ich doch erst wissen, wohin Ihr gehen und was Ihr dort treiben wollt.“
    „Well, auch das ist richtig und vernünftig. Wir wollen ein wenig ins Colorado hinauf, nach dem Park von San Louis so ungefähr. Seid Ihr vielleicht schon einmal da oben gewesen?“
    „Ja.“
    „Was? So weit? Das hätte ich Euch nicht zugetraut! Ist Euch die Gegend der foam-cascade (Schaumfall) bekannt?“
    „Nein.“
    „So! Dorthin wollen wir. Dort oben in den Parks wird

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