08 - Old Surehand II
mein eigner Schutz zu sein.“
Das brachte den Rowdy in noch größere Wut. Er schrie mich an:
„Dein eigner Schutz? Nun, so schütze dich! Hier, das ist für die Beleidigung!“
Er holte mit der Faust zum Schlag aus; darauf war ich gefaßt. Ich hatte im Nu das Bierglas ergriffen und parierte mit ihm den Hieb. Anstatt daß dieser mich traf, wurde er von dem Glas aufgefangen, welches sogleich in Stücke ging. Zugleich sprang ich auf und stieß dem Kerl die Faust mit solcher Gewalt von unten herauf unter das Kinn, daß seine Gestalt, so stark und schwer sie war, hintenüberflog und, einen Tisch und mehrere Stühle umreißend, zur Erde stürzte.
Der war besorgt, und ich hatte zunächst meine Augen auf seine Genossen zu richten, denn daß diese seinen Fall rächen würden, das war sicher. Sie drangen auch sofort mit wildem Geschrei auf mich ein. Zwei Fausthiebe von mir, und zwei von ihnen flogen, der eine nach rechts und der andere nach links auseinander; dem dritten fuhr ich mit beiden Fäusten gegen die Magengrube, daß er mit einem überschnappenden Schrei zusammenknickte; die beiden letzten wichen bestürzt zurück.
Jetzt aber hatte sich Spencer wieder aufgerafft; seine Hand blutete vom Glas, und noch mehr Blut floß ihm aus dem Mund; er hatte sich bei meinem Fausthieb unter das Kinn in die Zunge gebissen. Mir das Blut entgegenspuckend, brüllte er:
„Hund, das ist dein Tod! So ein Kerl, der nicht einmal weiß, was für ein Metier er hat, wagt es, sich an Toby Spencer zu vergreifen! Ich werde – – –“
„Halt! Augenblicklich die Hand vom Gürtel!“ unterbrach ich ihn, denn er griff nach dem Revolver; zugleich zog ich den meinigen und richtete den Lauf auf ihn.
„Nein, sondern die Hand in den Gürtel!“ schäumte er. „Meine Kugel soll dich – – –“
„Noch einmal, fort mit der Waffe, sonst schieße ich!“ fiel ich ihm wieder in die Rede.
Er zog sie dennoch. Ich zielte auf seine Hand; er stieß einen Schrei aus, ließ sie sinken, und der Revolver fiel zu Boden.
„Hände hoch! Augenblicklich ihr alle, Hände hoch! Wer nicht gehorcht, bekommt die Kugel!“ befahl ich nun.
„Hände hoch!“ ist im Westen ein gefährliches Wort. Wer zuerst die Waffe in der Hand hat, der befindet sich im Vorteil. Um sich selbst zu retten, darf er den Gegner nicht schonen. Wenn er „Hände hoch!“ gebietet und es wird nicht augenblicklich gehorcht, so schießt er unbedingt; das weiß jedermann. Auch diese sechs Personen wußten es; ich hatte zu dem ersten schnell noch einen zweiten Revolver gespannt, und sie mußten überzeugt sein, daß ich meine Drohung wahr machen würde. Ich befand mich in Notwehr und konnte sie nach allem Recht erschießen; darum fuhren, als ich den Befehl kaum ausgesprochen hatte, zehn Arme in die Höhe, diejenigen von Toby Spencer auch. Sie vor den Läufen der Revolver behaltend, warnte ich sie:
„Behaltet ja die Hände oben, bis wir miteinander fertig sind; ich habe noch elf Kugeln! Wie steht nun Toby Spencer da, der berühmte, große Held? Jetzt hat er es mit keinem falschen Coloradomann zu tun und wird wohl einsehen, daß ich mich auf mein Metier verstehe. Mutter Thick, nehmt den Kerls die Gewehre, Revolver und Messer weg, und schließt sie ein! Morgen früh mögen sie schicken oder selber kommen, um sie abzuholen. Und untersucht ihre Taschen nach dem Geld! Ihr zieht ihnen die Zeche ab, die sie gemacht haben und den Preis des Glases, welches Spencer zerschlagen hat; dann mögen sie sich trollen.“
Mutter Thick war schnell bei der Hand, diese Weisungen auszuführen, und es sah sich eigentlich komisch an, wie die sechs Menschen mit hoch erhobenen Armen um den Tisch standen und nicht wagten, sich zu bewegen. Zu welcher Sorte von Leuten sie gehörten, zeigte sich durch die Reichtümer, welche sie besaßen. Sie hatten zusammen nur wenig Cents über den Betrag der Zeche. Als die Wirtin dieses Geld eingesteckt hatte, sagte ich:
„Nun macht die Tür auf, Mutter Tick; sie mögen hinausmarschieren. Draußen können sie die Arme sinken lassen, eher aber nicht, sonst schieß ich noch im letzten Augenblick.“
Die Tür wurde geöffnet.
„Hinaus mit euch! Jetzt wißt ihr nun, ob ich ängstlicher Natur bin oder nicht!“
Sie marschierten mit hoch erhobenen Händen einer hinter dem andern hinaus. Der letzte war Spencer. Ehe er den letzten Schritt tat, drehte er sich um und drohte, halb brüllend und halb zischend:
„Auf Wiedersehen! Dann aber hebst du die Arme in die Höhe,
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