08 - Old Surehand II
ist, es zu bekommen.“
Er hatte ebenso wie Pitt Holbers eine auch zeisiggrüne Tasche umhängen, schlug mit der Hand an sie und sagte:
„Wir tragen es stets bei uns; hier in dieser Tasche steckt's, und des Nachts legen wir es unter den Kopf. Wir haben unser Vermögen in schöne, gute Anweisungen und Schecks verwandelt, ausgestellt von Gray und Wood in Little Rock; jedes Bankhaus zahlt die volle Summe aus. Da, seht her; ich will's Euch zeigen!“
Als er die Firma Gray und Wood in Little Rock nannte, dachte ich sogleich an den ‚General‘, welcher heute bei Wallace und Co. einen Scheck von diesem Bankhaus präsentiert hatte. Dick Hammerdull schnallte die Tasche auf, griff hinein und nahm eine lederne Brieftasche heraus, die er mit einem kleinen Schlüssel öffnete.
„Hier steckt das Geld, Mesch'schurs“, sagte er; „also in zwei Taschen doppelt verwahrt, so daß kein Mensch dazukommen kann. Wenn ihr diese Schecks – – –“
Er hielt inne. Die Rede schien ihm nicht bloß im Mund, sondern hinten im Hals steckenzubleiben. Er hatte Schecks aus der Tasche nehmen und vorzeigen wollen; ich sah von weitem, daß er ein kleines, helles Päckchen in der Hand hielt; sein Gesicht hatte den Ausdruck des Erstaunens, ja, der Bestürzung.
„Was ist das?“ fragte er. „Habe ich die Schecks dann in eine Zeitung gewickelt, als ich sie gestern in den Händen hatte? Weißt du das, Pitt Holbers?“
„Ich weiß nichts von einer Zeitung“, antwortete Pitt.
„Ich auch nicht, und doch ist das ein Zeitungspapier, in welches sie eingeschlagen sind. Sonderbar, höchst sonderbar!“
Er faltete das Papier auseinander und rief, indem sein Gesicht erbleichte, erschrocken aus:
„Alle Teufel! Die Schecks sind nicht da! Die Zeitung ist leer!“ Er griff in die anderen Fächer der Brieftasche; sie waren leer. „Die Schecks sind fort! Sie sind nicht hier – nicht hier – und auch nicht hier. Sieh gleich einmal nach, wo die deinigen sind, Pitt Holbers, altes Coon! Hoffentlich hast du sie noch!“
Holbers schnallte seine Tasche auf und antwortete:
„Wenn du etwa meinst, daß sie verschwunden sind, lieber Dick, so wüßte ich nicht, auf welche Weise das geschehen sein sollte.“
Es zeigte sich bald, daß sie auch fort waren. Die beiden Westmänner waren aufgesprungen und starrten einander rat- und fassungslos an. Das schon so sehr schmale und lange Gesicht von Pitt Holbers war um die Hälfte länger geworden, und Dick Hammerdull hatte vergessen, nach seinen letzten Worten den Mund zu schließen; er stand ihm weit offen.
Nicht nur die um die Tafel sitzenden, sondern auch alle anderen Gäste nahmen teil an dem Schreck der Bestohlenen, denn daß ein Diebstahl vorlag, das war allen und auch mir sofort klar; speziell ich glaubte sogar, den Dieb zu erraten. Man sprach von allen Seiten auf Hammerdull und Holbers ein, welche die an sie gerichteten Fragen gar nicht beantworten konnten, bis Treskow mit lauter Stimme in diesen Wirrwarr hineinrief:
„Still, Gents! Mit diesem Lärm erreichen wir nichts. Die Sache muß anders angefaßt werden; sie schlägt in mein Fach, und so bitte ich Euch, Mr. Hammerdull, mir einige Fragen ruhig und mit Überlegung zu beantworten. Seid Ihr fest überzeugt, daß die Wertpapiere sich in dieser Brieftasche befunden haben?“
„Genauso fest, wie ich überzeugt bin, daß ich Dick Hammerdull heiße!“
„Und diese Zeitung war nicht drin?“
„Nein.“
„So hat der Dieb die Papiere herausgenommen und die zusammengefaltete Zeitung an ihre Stelle gelegt, um Euch möglichst lange in der Meinung zu halten, daß die ersteren noch da sind. Die Brieftasche war so dick wie vorher, und wenn Ihr sie in die Hand nahmt, so mußtet Ihr denken, sie sei nicht geöffnet worden. Wer aber ist der Dieb?“
„Ja, wer – ist – der – Dieb?“ dehnte Hammerdull in großer Aufregung.
„Habt Ihr keine Ahnung?“
„Nicht die geringste! Und du Pitt?“
„Ich auch nicht, lieber Dick“, antwortete Holbers.
„So müssen wir nach ihm forschen“, meinte Treskow. „Gibt es irgendwen, der es wußte, daß Ihr Geld oder Geldeswert hier in der Tasche hattet?“
„Nein“, antwortete der Dicke.
„Wirklich nicht?“
„Keinen Menschen!“
„Seit wann stecken die Papiere drin?“
„Seit vorgestern.“
„Wann habt Ihr die Brieftasche zum letztenmal geöffnet?“
„Gestern, als wir uns schlafen legten.“
„Da waren sie noch drin?“
„Ja.“
„Wo habt ihr logiert?“
„Im Boardinghouse von
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