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einhackte. Irgendwie war sie nicht wie sonst - verärgert vielleicht oder abgelenkt.
„Ist alles in Ordnung?"
„Hmmm?" Sie sah sich um, als würde sie mich erst jetzt bemerken. „Oh ja, alles bestens. Ich habe nur eine schwache Verbindung. Meine E-Mails an Ihre Majestät kommen immer wieder zurück."
„Dann ruf sie an."
„Das habe ich schon."
„Oh. Du glaubst doch nicht, dass ihnen irgendetwas passiert ist, oder?"
„Ich bin sicher, es geht ihnen gut."
Ich glaubte ihr. Aber ich wusste auch, was ihr Sorgen be 66
rettete. Tina lebte für Betsy und Sinclair wie andere Leute für Rennwagen und Marathonlaufen. Wenn sie nichts von sich hören ließen, wurde sie unruhig. Ein bisschen wie ein Drogenabhängiger auf Entzug.
„Betsy hat auf meine Mail geantwortet", versuchte ich sie aufzumuntern. Sie war im U/pischen Betsy-Stil verfasst gewesen: zickig und schrill. Sie hasste E-Mail-Akronyme. Die Frau sollte wirklich endlich im 21. Jahrhundert ankommen. „Ich bin sicher, sie hat die Werwölfe bereits im Sturm erobert, und sie machen alle zusammen Party."
Tina klappte den Laptop zu und lächelte mich an. „Du hast bestimmt recht. Wenn du mich jetzt entschuldigen würdest. Ich habe noch etwas zu erledigen."
Jagen. Blut saugen. Sie war zu höflich, um es zu sagen. Aber ich würde sie ganz sicher nicht aufhalten. Ein grantiger Vampir ist ein mordlustiger Vampir. Hungrige Vampire waren sogar noch schlimmer.
„Wart's nur ab", rief ich ihr nach. „Wahrscheinlich hat man auf Cape Cod diesen Tag schon zu Betsys Gedenktag erklärt. Du weist doch, wenn sie will, kann sie jeden für sich gewinnen."
Ja, liebes Ich, ich weiß. Im Nachhinein war das mehr als dämlich. Aber woher sol te ich denn wissen, dass sie sie umbringen würden?
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Ich schlug die Augen auf und blickte in einen Ring aus besorgten Gesichtern.
Zu Anfang war ich immer sehr erschrocken gewesen, wenn ich getötet wurde und wieder aufwachte, aber mittlerweile hatte ich mich daran gewöhnt.
„Aua", sagte ich und setzte mich auf. Ein ziemlich großes Loch prangte in meiner Bluse und in meiner Kostümjacke. Ein bisschen abseits saß ein bewusstloser Werwolf. Und Baby Jon schrie immer noch. „Gib ihn mir besser."
Mit großen Augen kniete Sara neben mir nieder und tat wie ihr geheißen.
Sofort war Baby Jon still, und ich konnte mich in Ruhe umsehen.
„Oh Mann", sagte ich und beäugte den Werwolf, der mir das Stuhlbein ins Herz gerammt hatte, wie ich annahm. „Sinclair, was hast du mit ihm gemacht?"
„Ich habe ihn nur einmal geschlagen", erwiderte mein Ehemann in einem gespielt beiläufigen Ton, den ich ihm nicht eine Sekunde abkaufte.
„Wo sind denn all die anderen?"
Abgesehen von Sara, Sinclair, Jeannie, Michael, Baby Jon und Derik war der Raum leer. Oh, und nicht zu vergessen der Werwolf, der mich getötet hatte.
„Nach dem Angriff auf dich hat Michael den Saal räumen lassen. Ali ... es geht mich ja nichts an", fuhr Sara fort, „aber warum bist du nicht zu Staub zerfallen?"
„Weil ich die Königin der Untoten bin", sagte ich und ver 67
suchte aufzustehen. Sinclair packte einen Arm, Michael den anderen, und gemeinsam zogen sie mich in die Höhe. Ich sah an meinem ruinierten Kostüm herunter und seufzte.
„Ich muss mich für das Rudel entschuldigen", sagte Michael steif. Er wirkte ruhig, aber ich spürte, dass er verärgert war.
Und Jeannie war sauer. „Dafür gibt es keine Entschuldigung. Gar keine." Sie wandte sich an Sinclair. „Du hättest ihm den verdammten Kopf abreißen sollen."
„Vielleicht nächstes Mal", erwiderte mein Gatte.
„Noch einmal: Ich bitte um Verzeihung." Michael zeigte mit dem Kopf auf den tief schlafenden Werwolf. „Um den werden wir uns kümmern; du hast mein Wort."
„Nein, tut das nicht."
„Wie bitte?"
„Vergesst es einfach."
„Elizabeth", sagte mein Mann warnend.
„Lasst uns die Sache nicht noch schlimmer machen. Mir ist ja schließlich nichts passiert. Er kann mir ein neues Kostüm kaufen, dann sind wir quitt."
„Inakzeptabel", sagte Sinclair kategorisch und, Wunder über Wunder, Michael nickte zustimmend. Endlich hatten sie etwas gemeinsam: Mein Wille wurde ignoriert.
Aber zur Abwechslung hatte ich einmal die Gelegenheit, ein besserer Mensch zu sein (sozusagen .. ), und die würde ich mir nicht entgehen lassen. Vielleicht lernte ich auf meine alten Tage doch noch, politisch zu denken. „Ich meine es ernst. Lasst es gut sein. Die Situation war für uns alle nicht einfach. Ich habe ihn
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