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080 - Befehle aus dem Jenseits

080 - Befehle aus dem Jenseits

Titel: 080 - Befehle aus dem Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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gestorben war, während sein Geist unlösbar damit verbunden blieb, doch sah er keine Möglichkeit, seinen gelähmten Gliedmaßen den Befehl zu geben, jetzt aufzustehen. Er konnte nicht einmal die Zunge über die ausgetrockneten Lippen führen. Seine Mundhöhle war ausgedörrt.
    Plötzlich vernahm er ein Scharren.
    Er wurde bewegt, wurde von einer Seite auf die andere gerüttelt. Sein Kopf prallte gegen Holz. Eichenholz! durchzuckte es ihn. Die Unterlage bestand aus einem Seidenkissen. Seine Hände waren gefaltet.
    Was macht ihr mit mir?
    Während er angestrengt auf die Geräusche um sich herum lauschte, wurde ihm plötzlich schwindelig. In seinen Ohren rauschte es, und etwas preßte seinen Kopf zusammen. Feurige Erscheinungen fraßen sich tief in sein Bewußtsein. Bilder huschten an ihm vorbei, Erinnerungsfetzen, mit denen er nicht das geringste anzufangen wußte.
    Plötzlich fiel ein Lichtschimmer in sein Gefängnis.
    Sie lassen mich heraus, dachte er erleichtert. Doch als er die weinenden Menschen sah, erkannte er, daß dies nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Hölle war. Dunkle Mäntel raschelten. Der kalte Wind bewegte die Äste der Bäume. Wolken ballten sich am Himmel zusammen. Es war noch früh.
    Gruschenka beugte sich vor. Ihr gerötetes Gesicht war tränenüberströmt.
    Sie legte ihm ein Sträußchen getrockneter Herbstblumen auf die Brust.
    Dann schwankte die Welt wie bei einem Erdbeben. Mehrere Hände legten den Deckel wieder auf ihn. Schluchzen, Abschiedsworte. Er hörte die Seile, die seitlich am Holz entlangglitten. Erdbrocken fielen herunter. Es dröhnte dumpf.
    Schlagartig wußte er, was mit ihm los war.
    Ich bin tot, aber ich kann alles um mich herum wahrnehmen. Er schrie seine ganze Verzweiflung aus sich heraus, schrie, wie er nie zuvor geschrien hatte. Sein Schrei verhallte in der Finsternis. Er wollte die anderen auf sich aufmerksam machen. Sie mußten ihn hören. Sie durften ihn jetzt nicht begraben. Nein!
    Laßt mich doch frei! wollte er rufen. Helft mir doch!
    Er streckte die Arme aus und stemmte sie gegen den Sargdeckel.
    Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er sich bewegen konnte. Schlagartig riß er die Augen auf und blinzelte in das Licht der Nachttischlampe. Gruschenka streckte ihm ein Glas Wasser entgegen. In der Linken hielt sie ein feuchtes Tuch.
    „Jurka", rief sie erschrocken, „was hast du bloß?"
    Er stemmte sich hoch, atmete schwer und rasselnd. Die verschwitzten Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Er blickte seine Frau verwirrt an.
    „Ich - hatte einen furchtbaren Alptraum, Gruschenka."

    Jurka war an diesem Morgen nicht anzusprechen. Er hockte am Frühstückstisch, starrte auf die „Sabaroschskaja Prawda", ohne die Artikel zu lesen, trank ein paar Schluck Tee und stand dann unverhofft auf.
    „Frühstücke doch in Ruhe, Jurka! Du stehst sonst mit leerem Magen im Werk. Das ist nicht gut. Es wird kalt werden. Du wirst dich erkälten."
    „Laß mich zufrieden, Gruschenka! Ich weiß genau, was ich tue."
    Er ging an seiner Frau vorbei und schlüpfte in den gefütterten Mantel. Als er ins Freie trat, traf ihn ein eisiger Windstoß. Im Licht der Gaslaternen tanzten Schneeflocken. Obwohl es schon März war, ließ der Frühling noch lange auf sich warten.
    „Bis heute abend, Gruschenka!"
    Er ging in das Schneetreiben hinaus, ohne sich noch einmal nach seiner Frau umzudrehen.
    „Jurka, deine Tasche!"
    Doch er hörte sie nicht mehr. Als ein alter Moskwitsch um die Ecke bog, war er bereits verschwunden. Erst jetzt fiel ihr auf, daß er in die falsche Richtung gegangen war. Das Walzwerk lag am entgegengesetzten Ende der Straße.
    Was rege ich mich auf, sagte sie zu sich selbst. Er wird vorher noch bei seinem Schwager vorbeigehen. Die beiden haben irgend etwas vor. Vielleicht legen sie zusammen, um sich das langersehnte Auto zu kaufen. Sie wußte es nicht. Nachdenklich verriegelte sie die Tür hinter sich.
    Jurka ging an diesem Morgen weder in die Fabrik noch zu seinem Schwager. Er stapfte die Straße hinunter. Den Mantelkragen hatte er hochgeschlagen, doch der eiskalte Wind nistete sich in seinen Gliedern ein. Jurka fröstelte, aber nicht wegen der erbärmlichen Kälte, sondern wegen seiner düsteren Ahnungen. Er hatte geträumt, lebendig begraben zu werden. Normalerweise hätte er nichts darauf gegeben; doch nachdem der Werksarzt vorige Woche angedeutet hatte, sein Herz würde ihm zu denken geben, sah das Ganze anders aus. Die Möglichkeit, daß er unverhofft sterben könnte, war

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