0802 - Der Wächter
jaulte.
Ein fürchterliches Geschrei erwischte meine Ohren. Es war kreischend und schrill, als wäre ein rostiges Stück Eisen von einem Blatt zerschnitten worden.
Er hatte auch an Größe gewonnen. Manchmal erinnerte er mich an einen geduckt dastehenden Werwolf, der sich erst noch orientieren musste, um zu erfahren, wohin er sich wenden sollte.
Aus dem Maul drang ein zischendes und gleichzeitig ein knurrendes Geräusch. Es war vergleichbar mit dem Donnern, das diesen Hof erfüllte und natürlich auch meine Ohren erreichte.
Ich hatte das Beste getan, was mir in dieser Lage übrig blieb. Ich war hinter dem Brunnen in Deckung gegangen, aber nicht so weit, als dass man mich nicht hätte sehen können. Das obere Drittel des Kopfes schaute schon über den Rand des Brunnens hervor, und so konnte ich Smith unter Beobachtung halten.
Mein Kreuz steckte auch nicht mehr in der Tasche. Es lag jetzt offen auf meiner Handfläche. Ich hatte Mühe, meinen Blick davon loszureißen, denn dieser ungewöhnliche helle Schein, den das Kreuz abstrahlte, irritierte mich schon.
Es leuchtete beinahe wie nach der Aktivierung, obwohl ich die Formel nicht gesprochen hatte. Da war etwas anderes passiert, wie ich mit einem schnellen Blick erkannte.
Das aus der Höhe fallende Licht hatte sich in dem Silberkreuz gefangen und es aufstrahlen lassen.
Von einem Wunder wollte ich nicht sprechen, eher von einem Phänomen. Die Angst war verschwunden, da mochte die Kreatur der Finsternis auch noch so schrecklich aussehen, sie würde mich nicht mehr töten können.
Stattdessen irrte sie durch den Hof des Klosters. Es fiel ihr schwer, sich auf den Beinen zu halten, falls man davon überhaupt noch sprechen konnte. Sie taumelte von einer Seite zur anderen, aus dem Maul drangen schreckliche Laute hervor, der Körper wirkte mehr wie ein Klumpen auf zwei Beinen.
Smith hatte sich verwandelt, aber Smith erlebte nun, dass er nicht unsterblich ist.
Er warf sich auf den Boden. Er schrie, riss dabei den Schädel zurück. Die Waffe hielt er nicht mehr in der Hand. Sie lag neben ihm, wo sie sich wie ein Gemälde am Boden abzeichnete. An diese profanen Dinge, die ihn einmal als Mensch interessiert hatten, dachte er längst nicht mehr. Er hatte genug mit sich selbst zu tun, denn er kämpfte mit aller Macht gegen ein vorzeitiges Ende an. Auf dem Boden wühlte er herum, er schlug um sich, die Krallen seiner Klauen hackten gegen die harte Erde. Sie schleuderten kleine Steine hoch, vermischt mit Staubwolken.
Er war nicht mehr zu halten, und auch ich hatte mich längst hinter meiner Deckung erhoben. Noch trennte uns der Brunnen, doch dieses Hindernis ließ ich hinter mir zurück.
Ich näherte mich von der rechten Seite. Dabei stellte ich fest, dass die Kreatur der Finsternis von mir keine Notiz nahm. Auch weiterhin kämpfte sie gegen ihr Ende an, vergeblich denn das herabfallende Licht hielt sie gefangen.
Sein Fell sah nicht mehr wie Fell aus. Es war mehr ein struppiges Durcheinander und wirkte wie dichte Wolle, in die großen Hände Asche gestreut hatten.
Hatte das Gesicht mit der unförmigen Schnauze noch vor kurzen hart und fest ausgesehen, so hatte sich dies ebenfalls verändert. Es bestand nur mehr aus einer schwammigen Masse, die widerlich stank. Ich kümmerte mich nicht mehr um meine Umgebung, nur um den ehemaligen Agenten Smith, und er musste trotz seiner Pein meine Schritte gehört haben, denn seine Bewegungen stoppten abrupt.
Ich blieb nicht stehen, trug sichtbar keine Schusswaffe, sondern hielt einzig und allein das Kreuz fest. Es lag auf der leicht gekrümmten Handfläche, die ich der Kreatur zugedreht hatte, damit sie auch sah, was ich hielt.
Sie glotzte mir entgegen.
Diesmal mit schon trüben Augen, auf die sich ein Schleimfilm gelegt hatte.
Er legte den Schädel tief.
Ein furchtbares Röhren drang aus dem Maul. Geschwächt durch das Gesicht am Himmel und durch dessen Ausstrahlung kippte er langsam zurück und blieb auf dem Rücken liegen.
Ich stand neben ihm.
Plötzlich baumelte über ihm das Kreuz wie ein starres Pendel.
Die Kreatur bewegte noch ihren rechten Arm. Zuckend wanderte dabei die gekrümmte Klaue über den Boden, weil sie nach einem bestimmten Gegenstand tasten wollte.
Ich tat nichts, die Klaue legte sich auf die Maschinenpistole, aber sie schaffte es nicht einmal, die Waffe richtig zu umklammern und sie anzuheben.
Sie rutschte ab, als wäre das Metall von einer dünnen Eisglätte überzogen worden.
Schlaff blieb er
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