0810 - Stirb in einer anderen Welt
damit konnte dafür sorgen, dass sein Geist Schaden nahm. Zumindest befürchtete er das. Am liebsten hätte er es genommen, mit eigenen Siegeln verschlossen und dann irgendwo an einem Ort in seiner Bibliothek abgelegt, wo er die nächsten hundert Jahre nicht mehr suchen würde.
Aber das konnte er nicht.
Es war schon richtig, dass er sich mit dem Buch befasste. Vielleicht konnte er dadurch mehr über das Amulett lernen, auf jeden Fall aber dafür sorgen, dass manche Katastrophen nicht eintraten. So wie das Schließen der Ash-Tore.
Bis heute wusste er nicht, was für dieses Schließen verantwortlich gewesen war, aber er hatte es stoppen können. Die Tore zu den Ash-Welten blieben offen und benutzbar. Ohne das erste Siegel wäre das sicher nicht möglich gewesen und die Ash-Welten für immer gesperrt und isoliert. Und der Silbermond-Druide Gryf, der sich zufällig und ahnungslos in Ash'Tarr aufgehalten hatte, wäre für alle Zeiten dort gefangen.
Zamorra musste die Siegel öffnen - eines nach dem anderen, alle dreizehn. Was mochte er damit alles bewirken können?
Bedenke stets, was du tust! Ein Fehler kann deinen Tod bedeuten!
Bei beiden Siegern hatte er diese Warnung erhalten. Aber war es für ihn nicht normal, dass ein Fehler tödlich sein konnte? Seine dämonischen Gegner warteten nur darauf, dass er einen Fehler beging.
Nicole richtete sich auf. Sie öffnete die Augen und lächelte Zamorra an. »Ich bin gespannt, wer diesmal auf dem Korridor auf uns wartet…«
***
Zamorra lächelte. »Wahrscheinlich niemand. Das Buch hat jedenfalls kein Monsterchen angezeigt.«
Sondern mich…
Aber er war doch kein Monster, kein Ungeheuer, nichts Dämonisches. Andererseits: War das einer der Fingerzeige zur Lösung des Rätsels BESIEGE DICH SELBST?
Er ging auf Nicole zu, die sich vom Sofa erhob. Er schloss sie in die Arme. »Danke für deine Hilfe«, sagte er.
Sie küssten sich.
»Hat es dir neue Erkenntnisse gebracht?«, fragte Nicole.
»Noch nicht… nicht so recht… ich muss noch darüber nachdenken.«
»Tu das - aber bleib dabei mal einen Moment so stehen.« Sie selbst wich ein paar Schritte zurück und betrachtete seinen nackten Oberkörper. »Die Kratzspuren…«
»Ach ja - erinnere mich daran, dass es heute Katzenbraten gibt«, sagte Zamorra mürrisch. »Madame Claire hat bestimmt ein paar gute Rezepte.«
»Sie wird dir ein Karnickel unterschieben«, vermutete Nicole. »Wenn man die Ohren abschneidet, sieht es aus wie eine Katze, der man den Schwanz abgeschnitten hat. Und - ach, was rede ich da? Die Spuren, die dir das nette Mietzekätchen in die Heldenbrust graviert hat…«
»… und die du freundlicherweise so gut verpflastert hast…«
»… ergeben ein Bild.«
»Ein Bild?«
»Wenn man dich längs faltet…«
»Wie bitte? Mich längs falten?«
»Nun lass mich doch mal in Ruhe ausreden«, sagte sie. »Wenn die Faltfalz genau durch deine Körpermitte geht, vom Kopf bis zum… äh…«
»Die Frau will mich falzen und falten! Ich fasse es nicht!« Zamorra griff sich mit beiden Händen an den Kopf. »Ich glaube, meine süße Nici, ich muss dich mal eingehend auf deinen Geisteszustand untersuchen.«
»Ich weiß schon, was du wirklich untersuchen willst«, grinste sie ihn an. »Jedenfalls sind dann die Katzkratzereien auf deinen beiden Körperhälften deckungsgleich. Komm, ich zeig's dir vorm Spiegel.«
Sie griff nach seiner Hand und zog ihn mit sich auf den Korridor hinaus. Einen Augenblick lang blieben sie stehen und sahen sich misstrauisch um. Beim ersten Siegel hatte hier ein grünpelziges Monster auf sie gewartet. Wie es ihm gelungen war, ins Château einzudringen, war nach wie vor ein ungelöstes Rätsel. Denn die Schutzkuppel aus Weißer Magie war unversehrt. Zamorra hatte es selbst noch einmal überprüft.
Ohne zu merken, dass er dabei einem fremden Einfluss unterlag!
Aber diesmal war da nichts und niemand.
Nicht einmal die Katze.
Nicole führte ihn in ihr Schlafgemach. Meist benutzten sie zwar gemeinsam Zamorras Zimmer, aber manchmal wollte Nicole auch ihre Ruhe haben. Immerhin hatte sie den größeren Wandspiegel. Vor diesen zog sie ihren Gefährten. »Schau es dir an«, verlangte sie. Dann zog sie mit dem Zeigefinger eine gerade senkrechte Linie über die Mitte seines Oberkörpers. »Was siehst du?«
»Pflaster«, sagte er.
»Sie zeigen ein Muster.« Nicole zog noch einmal eine unsichtbare Linie.
Er nickte. »Zwei Hälften… wenn man das Muster entlang der Linie faltet, sind diese
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