0811 - Die Aibon-Amazone
ein Monstrum in Miniaturausgabe. Auch ich als Aibon-Besucher hatte es dort nie gesehen, es strahlte aber etwas Böses und Grausames aus, so dass für mich als sein Hüter nur Guywano in Frage kam.
Wir belauerten uns.
Wenn es sich in meine Wohnung verirrte, würde ich es mit den bloßen Händen bekämpfen müssen, denn meine Waffen trug ich nicht bei mir. Aber es blieb hocken. Die Augen bewegten sich. Darin las ich kein Gefühl. Sie waren blass und kalt. Sezierend, als wollten sich aus ihnen Dolche entwickeln, die in meine Haut schnitten.
Sehr langsam öffnete das Wesen sein Maul. Als ich die beiden Zahnreihen sah, da wusste ich, weshalb das Wesen Beißer genannt wurde. Was da aus den Kiefern hervorschimmerte, erinnerte mich an tödliche, kleine Messer.
Was sollte dieser Besuch? Warum griffes nicht an? Wollte es mich nur erschrecken, mir raten, den Kampf nicht anzunehmen und mich durch sein Erscheinen warnen?
Es zog sich zurück.
Beinahe hätte ich gelacht, als der Beißer, noch auf der Fensterbank hockend, eine Rolle rückwärts schlug, sich dann drehte, und im nächsten Moment meinem Blick entschwunden war.
Nichts mehr, eine leere Fensterbank, über die wenig später meine Hände glitten, aber ich hütete mich, zu weit aus dem Fenster zu schauen, denn ich wollte es nicht im Nacken haben.
Daran war überhaupt nicht zu denken, denn plötzlich veränderte sich der Himmel vor mir. Ich konnte zwar noch in seine dunkle Weite hineinschauen, aber das Bild, das sich meinen Augen bot, passte einfach in diese Welt hinein.
Es entsprach Janes Beschreibung.
Vor mir stand die Aibon-Amazone, sie hatte bereits einen Pfeil aufgelegt, dabei den Bogen gespannt und zielte auf mich…
***
Ich musste wegtauchen, Deckung finden, doch ich blieb stehen, denn diese gewaltige Szenerie war einfach zu faszinierend, um mich wegschauen zu lassen. Das erinnerte mich an ein gewaltiges Gemälde, von einem Maler blitzartig in die Luft gezeichnet, wobei er keine Details vergessen hatte.
Ich entdeckte sogar die Ringe in den Säulen, die den Rand eines mächtigen Flachdachs abstützten. Ich sah die runden Treppen vor der großen Säule, und auf der dritten, genau in der Mitte, hielt sich die halbnackte Amazone auf.
Ihr Gesicht faszinierte mich. Im Gegensatz zu der übrigen Umgebung kam es mir besonders klar und scharf herausgezeichnet vor.
Diese Person war eine wilde Schönheit, dabei sehr menschlich und längst nicht so filigran geschaffen wie die weiblichen Bewohner Aibons.
Dennoch gehörte sie dazu.
Sie schaute mich an.
Ich gab den Blick mit großen Augen zurück, bis plötzlich die Sehne zurückschnellte und sich der spitze Pfeil auf die Reise zu mir machte.
Kopf weg!
Ich tauchte unter.
Der Pfeil surrte über die Fensterbank hinweg. Ich hörte den Aufprall im Hintergrund des Zimmers, und als ich mich auf dem Boden liegend drehte, da sah ich, dass er gegen die Wand geprallt war. Er hatte ein Loch in die Tapete gerissen und eine Macke in der Wand hinterlassen. Ansonsten war nichts geschehen.
Ich hütete mich davor, mich hastig wieder aufzurichten und auf das offene Fenster zuzulaufen. Auf Händen und Füßen bewegte ich mich durch meine eigene Wohnung, presste mich unterhalb der Fensterbank gegen die Wand, zählte langsam bis zehn und tauchte dann auf.
Bereit, sofort wieder wegzutauchen, schaute ich nach draußen.
Das Bild war verschwunden!
Ein normaler Nachthimmel lag vor mir. Ich konnte nicht weit schauen, es war zu dunkel, aber ich sah das Muster der helleren Wolken und auch den schwachen Widerschein der Lichter, die aus der Londoner City in die Höhe strahlten, vermischt mit den wässerigen, bunten Farben der Leuchtreklamen.
Seltsam – von einem Moment zum anderen hatte sich die gewaltige Szenerie aus dem Staub gemacht. Ich war keiner Halluzination erlegen, denn ein Andenken hatte ich.
Der Pfeil lag noch auf dem Teppich. Ich ging hin und hob ihn auf, betrachtete ihn und wunderte mich über sein geringes Gewicht. Allerdings war er sehr ausgewogen, ein Könner würde damit einer Fliege ein Auge ausschießen können.
Ich war ihm mit viel Glück entwischt. Oder hatte mich die Person nicht treffen wollen?
Noch einmal ging ich auf das Fenster zu, diesmal allerdings mit der Beretta bewaffnet.
Es war normal geblieben, auch der Beißer lauerte nicht mehr in der unmittelbaren Nähe. Allerdings erinnerte ich mich daran, einige dieser Kreaturen in der Nähe der Frau gesehen zu haben. Sie bewachten die Amazone wie Kampfhunde
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