0815 - Die Schlangenschwester
knarrend. Alimas trat ein - oder war es eine ihrer Schwestern? Sie waren optisch kaum voneinander zu unterscheiden, wie Zwillinge. Oder besser gesagt: wie Sechslinge, denn sechs von Ihnen hatte Zamorra gestern kennen gelernt.
Sechs von einer unbestimmt größeren Anzahl, die nach den Worten Alimas’ über ganz Samila zerstreut waren.
»Willkommen«, ätzte Nicole in einer akzeptablen Imitation. »Wir freuen uns sehr!«
»Ich wollte mich nach eurem Wohlbefinden erkundigen, und falls ihr euch fragt: Ja, ich bin Alimas. Die Alimas, die ihr gestern zuerst getroffen habt. Oder vorgestern, denn ihr traft wenige Minuten vor Anbruch des neuen Tages ein.«
»Eure Namensgebung ist verwirrend«, sagte Zamorra. Alle Schwestern nannten sich Alimas; sich selbst bestimmten sie vielmehr über eine Ziffer, die auf eine für Zamorra unenträtselbare Weise ihre Hierarchie zum Ausdruck brachte. Deshalb hatte ihre Alimas sich auch als die Dritte der Schlangenschwestern vorgestellt.
»Vier weitere von uns werden morgen Abend bei uns eintreffen. Seid bis dahin unsere Gäste.«
Durch die nun lauter geführte Unterhaltung wachten auch Andrew und Diana auf. Sie hatten mit den gleichen Symptomen zu kämpfen wie vorher Zamorra und Nicole und beteiligten sich in den ersten Minuten nicht an der Unterhaltung.
»Wir sind leider nicht hier, um dem Müßiggang zu frönen«, erwiderte Nicole spitz. »Wir sind hier, um das Phänomen in Augenschein zu nehmen und euch zu helfen.«
»Wir benötigen eure Hilfe nicht.«
»Dann lass es mich so ausdrücken«, sagte Zamorra. »Es ist mir egal, ob ihr unsere Hilfe wünscht oder nicht. Wir werden uns den Dimensionsriss ansehen, denn er ist wichtig für uns.« Warum auch immer. Sollen die Dimensionen hier doch durcheinander geraten, was geht es mich eigentlich an? Er ärgerte sich wieder einmal darüber, im Auftrag von Merlin tätig zu sein, ohne über die genauen Hintergründe informiert worden zu sein. In der Zeit von Merlins Verwirrung war dies ein Streitpunkt gewesen, der mehrfach zu einer Eskalation geführt hatte - und jetzt schien es genauso wieder von vorn loszugehen, wenn sich der alte Magier diesmal auch eines Mittelsmannes bediente…
Andererseits interessierte den Meister des Übersinnlichen alles, was mit Samila zusammenhing, und das seit genau dem Moment, als Alimas ihn, Nicole und Andrew als Unsterbliche der Quelle des Lebens erkannte.
Plötzlich durchzuckte ihn ein Gedanke, und er fragte sich, warum er bislang nicht darauf gekommen war. Nach allem, was in den letzten Stunden und Tagen angedeutet worden und geschehen war, lag die Lösung doch auf der Hand.
Zamorra wurde plötzlich mulmig zu Mute…
Was, wenn der Dimensionsriss - zur Quelle führte?
***
Das Entsetzen zeigte nicht die gewohnten Auswirkungen.
Sandrines Magen revoltierte nicht… Merde, habe ich überhaupt einen Magen? Irdische Schlangen besaßen einen, davon war sie überzeugt, obwohl sie es nicht wirklich hundertprozentig wusste. Wer wusste derlei Dinge schon?
Ihr wurde auch nicht schwindlig. Verdammt, natürlich nicht! Eine Schlange mit Schwindelgefühl? War das nicht ein lächerlicher Gedanke?
Sie kroch über den Boden und hinterließ eine sich windende Spur leicht glänzenden Schleims. Das unterschied sich von allem, was sie über Schlangen zu wissen glaubte - hieß es nicht immer, sie seien völlig trocken?
Egal. Egal.
EGAL, verdammt!!
Plötzlich stand die rothaarige Frau vor ihr. Diejenige, die den Wolf getötet und sie zur Schlange gemacht hatte.
»Ich freue mich, dass deine Transformation abgeschlossen ist. Es wurde höchste Zeit.« Die Stimme klang rauer, als Sandrine sie in Erinnerung hatte.
Erstaunt sah Sandrine, dass die Haut der Unbekannten verrunzelt und altersfleckig war. Ihr rotes Haar war von grauen Strähnen durchzogen, sie stand leicht gebückt. Was ging hier vor sich?
»Es wurde höchste Zeit, mein Hüter«, krächzte die Unbekarmte, und Sandrine spürte, wie zum ersten Mal seit ihrer Verwandlung auch ihr Bewusstsein angegriffen wurde. Sie war immer noch sie selbst - aber etwas zwang sie, gehorsam zu sein.
Der rothaarigen Alten - Alten? - gehorsam zu sein.
»Komm und komplettiere mich!«, forderte Sandrines Herrin.
Und die Schlange kroch auf die Alte zu. Mit jedem Zentimeter, den sie zurücklegte, ging mit ihrer Herrin eine Veränderung vor. Ihre Körperhaltung straffte sich, die Farbe ihres Haares wurde kräftiger, leuchtender, ihre Haut glättete sich.
»Komm, meine Schwester!«,
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