0818 - Lilith, der Teufel und ich
hätten in Germany alle Vorteile verloren, die sie sich erarbeitet haben.«
»Das stimmt.«
»Es ist gut, dass Sie mir trotzdem Bescheid gegeben haben. Ich werde sehr vorsichtig versuchen, hinter den Kulissen etwas in Bewegung zu setzen, aber versprechen kann ich Ihnen nichts. Das muss ich noch einmal hier festhalten.«
»Danke, Sir.«
»Sie werden es schon schaffen, John.«
Ich lachte, und er klang auf keinen Fall fröhlich. Mit knappen Worten verabschiedete ich mich von meinem Chef, und als ich auflegte, da fühlte ich mich verdammt mies. Als wäre alles über mir zusammengebrochen oder als wäre ich von allen im Stich gelassen worden.
»Möchten Sie einen Schnaps, Herr Sinclair?«
Ich schaute hoch. Oberkommissar Gericke stand vor mir. In seinem Blick las ich Mitgefühl. Ich konnte ihm an der Misere keine Schuld geben. Er tat nur seine Pflicht und gehorchte den Gesetzen, mehr konnte man von ihm nicht verlangen.
»Ich werde mir einen gönnen.«
»Dann geben Sie mir auch einen, bitte.«
»Es ist ja nicht die Regel, dass wir im Dienst Schnaps trinken. Aber in diesem Fall, der so außergewöhnlich ist, kann ein Cognac auch mal so etwas wie Medizin sein.« Aus einem Aktenschrank holte er eine bauchige Flasche und zwei Schwenker.
Die braune Flüssigkeit gluckerte in die Gläser. Ich schaute hin und sah es trotzdem nicht, weil ich mit meinen Gedanken woanders war. Dieser Fall lief so quer wie selten nicht mehr. Wohin ich auch griff, ich fand nie einen Halt. Das war ein Abtauchen ins Leere, und darüber ärgerte ich mich.
Er reichte mir den Schwenker. »Ichfinde, wir sollten auf unseren Freund und Kollegen Harry Stahl trinken, Herr Sinclair. Er hat es verdient.«
»Tatsächlich?«
»Was soll der Spott?«
»Ich wundere mich nur, dass Sie plötzlich auf meiner Seite stehen, Herr Gericke.«
»Das braucht Sie nicht zu wundern. Ich stand immer auf Ihrer Seite. Nur bin ich auch dem Gesetz verpflichtet. Deshalb muss ich mich eben an bestimmte Regeln halten. Als Beamter stellte man oft genug seine persönliche Meinung hinten an.«
»Wenn das so ist, dann Prost«, sagte ich und kippte den weichen Cognac mit einem Ruck in meine Kehle.
Ich stellte das Glas ab, hielt dabei meine Augen geschlossen und konzentrierte mich auf die Wärme, die sich in mir ausbreitete. Zuerst wie ein Strom, dann – als sie den Magen erreicht hatte – verwandelte sie sich in einen See. Ich hatte den Eindruck, als käme eine große Ruhe über mich.
Ich öffnete die Augen und sah die Zigarette, die aus einer Schachtel schaute. »Rauchen Sie?«
»Selten.« Ich erhob mich und zog das Stäbchen aus der Packung.
Der Oberkommissar gab mir Feuer.
Rauchend ging ich durch das Büro. »Wie geht es jetzt weiter?«
Die Frage hatte mehr mir selbst gegolten als Ludwig Gericke, doch er gab mir eine Antwort.
»Es läuft alles seinen normalen Weg, wenn Sie das meinen. Ich habe leider auf Druck von oben für den Abend eine Pressekonferenz einberufen müssen. Es hat sich mittlerweile herumgesprochen, was Harry Stahl tat, und so etwas ist natürlich ein gefundenes Fressen für die Medien. Die wollen Erklärungen haben, sie wollen…«
»Heute Abend?«
»Ja.«
»Wann?«
»Zwanzig Uhr.«
»Da haben wir noch etwas mehr als zwei Stunden Zeit.«
»Stimmt, Herr Sinclair. Glauben Sie denn, dass sich bis dahin noch etwas ändert?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann es nur hoffen.«
Der Oberkommissar stellte sein Glas weg. »Jetzt mal Butter bei die Fische, wie man bei uns sagt. Wie sieht es überhaupt aus? Sie sind Polizist, ich bin es. Unsere Arbeit unterscheidet sich ja im Prinzip nicht, denke ich. Wir suchen nach Spuren, wir gehen gewissen Dingen nach, wir sind die Löser der Rätsel, aber dieses Rätsel hier stellt uns vor gewaltige Probleme. Noch einmal, Sie sind der Fachmann, Herr Sinclair. Wie haben Sie sich das Weiterkommen vorgestellt?«
»Anders als Sie.«
»Kann ich mir denken. Aber bei Harry Stahl finden wir keinen Kompromiss. Ich kann ihn nicht entlassen.«
»Das weiß ich, Herr Gericke, und deshalb muss ich versuchen, einen anderen Weg zu gehen.«
»Darf man fragen, wie der aussieht?«
Ich drückte die Zigarette halb geraucht im Ascher. »Das weiß ich nicht genau, tut mir Leid.«
»Sie wollen es mir nicht sagen.«
Ich lächelte ihn an. »Sind Sie dessen so sicher?«
»Ja.«
Ich lenkte ein. »Dieser Weg ist zumindest sehr ungewöhnlich. Es geht nicht gegen Sie, aber ich glaube kaum, dass Sie ihn verstehen werden. Ich werde mir einen
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