0818 - Sarkanas Erbe
sich das Gerippe in seine Einzelteile auf. Die Knochen schepperten über den Bühnenboden, einige von ihnen kamen direkt vor Assuntas Gesicht zur Ruhe.
Der Wahnsinn, die Verzweiflung und die Reue - alles war in der nächsten Sekunde vom Antlitz des Königs wie weggewischt. Langsam erhob sich Assunta. Sein Blick schweifte in die Runde. Und nun sahen seine Augen, was ihnen vorhin verborgen geblieben war.
Alles hier war nur Fassade. Tricks, plumpe Täuschung. Farbe, Knochenleim und ein halbwegs geschickter Maler. Selbst die Grabsteine konnte man bei genauen Hinsehen als Pappmache erkennen. Die Ausnahme machte allein das Skelett, denn Sarkanas Bühnen-
bildner hatten sich einfach nur bei den ungezählten Gefangenen des Vampirdämons bedienen müssen.
»Lass dich nicht beirren, mein Gemahl!« Sabeth war mit schnellen Schritten auf die Bühne gelaufen. Sie sah die Wut und den verzehrenden Hass, der sich nach und nach wieder in Assuntas Gesicht zurückschlich. Vielleicht konnte die Königin den alten Assunta nun erreichen. Vielleicht war es noch nicht zu spät. »Du hast keine Schuld am Tod deines Volkes. Doch nun bist du auf dem Weg, einen großen Fehler zu begehen. Lass uns nach Hause gehen, Assunta. Nach Afrika. Das Land ist so unendlich groß. Wir werden einen Platz für uns finden.« Sie wies auf Tahum, der ihr nachgefolgt war. »Zu dritt werden wir uns eine neue Heimat schaffen. Bitte, komm zu dir. Das alles hier ist - böse. Ich spüre Sarkanas Schatten überall. Auch wenn es ihn wirklich nicht mehr geben soll, so ist er dennoch hier. Lass uns gehen!«
Zamorra und die anderen beobachteten den Versuch der jungen PYau. Nicole fühlte, wie sehr sich die Königin nach Ruhe und Sicherheit sehnte. Sie hatte kriegerische Zeit erleben müssen, dann eine Ewigkeit im Bann des Vampirdämons. Und nun, da endlich eine Chance auf ein anderes Leben bestand, war es Assunta, der unter dem Einfluss der Dunklen Krone ihre Hoffnungen zunichte machte.
Nicole wünschte, die Überredungskünste der dunkelhäutigen Schönheit würden fruchten. Doch das erschien mehr als unwahrscheinlich. Erneut sollte Nicole Recht behalten.
Für Momente schien sich das Gesicht Assuntas zu verändern, wurde weich, seine Züge entspannten sich. Doch sehr schnell endete dieser kurze Anflug auch wieder.
Sabeth wich zurück, als sie sah, wie der Hass bei ihrem Gemahl über alle anderen Gefühle triumphierte.
Tahum reagierte instinktiv. Er umklammerte seine Geliebte und trug die Frau, die paralysiert schien, das Halbrund der Sitzränge hinauf.
Und hinter ihm vollzog sich die endgültige Verwandlung eines Königs in das unverhohlene Böse…
***
»Afrika!«
Assuntas Körper begann sich zu verändern.
Zamorra und Nicole waren bereit, ihre schützenden Hilfsmittel von einem Augenblick zum anderen zu aktivieren. Die Französin warf dem Professor einen fragenden Blick zu. Sein Kopfschütteln war ihr Antwort genug: Er sah also keine Möglichkeit für einen erfolgreichen Angriff mit Merlins Stern oder dem Dhyarra.
»Nach Afrika willst du also? Aber wozu denn? Ich bin Afrika. Alles, was unsere Heimat ausmachte, das ist in mir. Sieh nur, Sabeth. Sieh doch hin!«
Assunta schien zu wachsen - in alle Richtungen dehnte sich sein Körper aus. Doch dieser Körper war nicht mehr länger der eines humanoiden Wesens. Seine Beine, der Rumpf bekamen die rissige Struktur einer Baumrinde. Und sie blähten sich immer weiter auf. Aus Assuntas Armen trieben Pflanzen, Blüten und knollenartige Gewächse, die eitrigen Geschwüren nicht unähnlich waren.
Das Gesicht des Königs verlor jede Elastizität. Seine lidlosen Augen starrten auf seine Zuschauer, sein Publikum, das entsetzt verstummt war. Assuntas Mund war nun ein breiter Spalt, der aussah, als hätte ihn ein Beilhieb entstehen lassen.
Nur seine Stimme hatte sich nicht verändert. Und die brüllte hinaus, was Nicole befürchtet hatte.
»Seht mich an. Ich bin mächtig wie ein ganzer Kontinent. Ich werde herrschen. Hier werde ich ein Reich errichten, wie es selbst Sarkana niemals gekonnt hätte. Und ihr habt die Wahl. Werdet die Ersten meiner Untertanen -oder vergeht in meiner Macht. In der Macht des ewigen Dschungels!«
Die Dunkle Krone leuchtete blutigrot auf. Und dann eskalierte der Prozess, mit dem sich der Urwald im Refugium bisher ausgebreitet hatte. Das ganze Amphitheater krachte unter der Last von Baumriesen zusammen, die aus dem Nichts heraus materialisierten. Dicht an dicht nahmen die riesigen Gewächse
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