0819 - Der Tod des Heiligen
er nickte. »Toll«, sagte er, »verdammt gut gemacht. Sie sind ein ›Held‹, Mister! Ein Tier, das Ihnen nichts getan hat, zu töten, das muß wirklich Spaß machen.«
»Es war nötig.« Hartwig schleuderte das Tier weg. Es klatschte auf den Boden wie ein alter Lappen.
Das also hatte er mit dem Papagei getan. Es war ein Tier, ein Lebewesen, trotz allem nicht vergleichbar mit einem Menschen. Das wiederum führte mich zu den Personen, die diese Kneipe hier betrieben. Es mußte doch einen Wirt geben, aber den hatten wir bisher nicht zu Gesicht bekommen.
»Er hat Sie also gestört«, sagte ich leise.
»Genau.«
»Und sonst stört Sie niemand?«
»Wie meinen Sie das, Mister?« Hartwig hatte die Frage lauernd gestellt, und ich ging davon aus, daß er sehr genau Bescheid wußte, auf was ich hinaus wollte.
»Menschen«, sagte Bill Conolly.
Hartwig lächelte breit. »Menschen«, wiederholte er, »was habe ich damit zu tun?« Er deutete auf die Anwesenden. »Das sind die Menschen, auf die es mir ankommt.«
»Jede Gastwirtschaft hat einen Wirt«, sagte ich.
»Ach so, ihn meinen Sie.«
»Wo ist er?«
»Gegangen!«
Der Kerl log, das sah ich ihm an, aber ich konnte ihm das Gegenteil nicht beweisen und fragte deshalb: »Freiwillig?«
»Sicher.«
»Sie haben nicht nachgeholfen?«
Hartwig schloß für einen Moment die Augen und runzelte die Stirn. »Meine Güte, ich bin hier, um den Heiligen zu erleben und nicht, um mir Ihre Fragen anzuhören. Was geht uns der Wirt an? Gar nichts. Er ist gegangen, und ich würde Ihnen beiden raten, das gleiche zu tun. Es könnte sonst Ärger geben.« Er drehte den Kopf und schielte auf den toten Papagei.
Bill Conolly reagierte augenblicklich. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie auch uns die Hälse umdrehen werden?«
»Nie und nimmer. Für Sie haben wir andere Methoden.«
»Welche denn?«
»Gehen Sie!«
Wir folgten den scharf gesprochenen Worten. Es hatte keinen Sinn für uns, wenn wir hier die starken Männer spielen wollten. Sie waren einfach in der Überzahl, und jetzt nachzugeben, war besser, als später zu verlieren.
Sehr dicht ging ich an Hartwig vorbei. Er schaute mich an. Ich wich dem Blick seiner Augen nicht aus, und darin schimmerte es wie Eis. Dieser Mann war bisher unser stärkster Gegner, und ich war gespannt darauf, wie wir den »toten« Heiligen erleben würden.
Wir drehten ihnen nicht unsere Rücken zu. Bill hatte den Kopf gewandt, er schaute zurück. An der Tür blieben wir für einen Moment stehen und sahen zurück.
Sie alle schauten uns an.
In ihren Augen lag die kalte Feindschaft. Von den Menschen würde uns keiner zur Seite stehen, wenn es darauf ankam. Mit gemischten Gefühlen verließen wir die Kneipe, blieben vor der Tür stehen und atmeten dort tief durch.
Hatte sich etwas verändert? Im Prinzip nicht. Uns fiel nur auf, daß die drei Typen unter dem Baum verschwunden waren. Auch sonst kam uns Cuttlane noch leerer und stiller vor. Es war so ruhig, daß wir den Wind hörten, der durch die Straße wehte und die Blätter an den Bäumen bewegte. Das Rascheln hinterließ bei mir einen leichten Schauer, denn mir kam es vor, als Würden sich Wesen aus dem Geisterreich ihre Hände reiben oder dem Verstorbenen Beifall klatschen.
Der Himmel hatte sich zugeschoben. Eine graue Wolkenschicht verdeckte die runde Sonnenscheibe. Bill wollte etwas sagen, als wir das Geräusch der sich öffnenden Tür hörten.
Die seltsamen Gäste verließen die Gaststätte. Sie bewegten sich sehr diszipliniert, gingen streng hintereinander, und ihre Gesichter verrieten Erregung und Trauer. Ihr großer Meister war tot, die Beerdigung stand dicht bevor, und sie alle würden jetzt hoch zum White Hill pilgern, wo das Grabmal seinen Platz bekommen hatte.
Ein bombastischer Bau, über den ich nur den Kopf schütteln konnte. Aber Bill und ich würden denselben Weg gehen, das stand fest.
Mein Freund räusperte sich, bevor er sagte: »Am liebsten würde ich noch vor ihnen dort sein und dem Spuk ein Ende bereiten.«
Als Antwort schaute ich auf die Uhr.
»He, sag was!«
Ich nickte. »Das werden wir wohl. Sie pilgern hin, und ich denke mir, daß noch keiner von ihnen dort ist.«
»Was macht dich so sicher?«
»Ganz einfach. Dieser Hartwig ist der Anführer, er vertritt The Saint bei seinen Anhängern, und ich denke mir, daß sie alle nur darauf warten, geführt zu werden, und zwar von ihm. Er ist doch derjenige, der an den Fäden zieht. Ich gehe mal davon aus, daß er sie an einem
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